Mehr Kontrolle, mehr Klarheit – oder mehr Bürokratie?
Was die geplante Reform der Prüfungsberichtsverordnung für Institute, Aufsicht und juristische Praxis wirklich bedeutet.
Wenn das Finanzsystem komplexer wird, darf das Recht nicht stehen bleiben. Doch wie viel Regulierung braucht ein stabiler Markt – und wo kippt Transparenz in Überforderung? Der aktuelle Entwurf zur „Zweiten Verordnung zur Änderung der Prüfungsberichtsverordnung“ wirft genau diese Fragen auf. Er soll Ordnung schaffen, Berichtspflichten präzisieren und Aufsicht erleichtern. Doch was bedeutet das konkret für Banken, Finanzdienstleister und deren gesetzliche Vertreter?
Steht die geplante Reform für einen echten Fortschritt in der Finanzmarktaufsicht – oder nähern wir uns einer Berichtspflicht, deren Tiefe kaum noch mit der unternehmerischen Praxis vereinbar ist? Und vor allem: Wo bleibt die Balance zwischen notwendiger Kontrolle und rechtsstaatlicher Zumutbarkeit?
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin, Experte für Bank-, Finanz- und Kapitalmarktrecht mit besonderem Fokus auf digitale und regulatorische Schnittstellen, analysiert die anstehende Reform mit juristischer Präzision. In diesem Beitrag ordnet er ein, welche Chancen die Neuregelung birgt, wo Fallstricke drohen – und welche Fragen sich der Gesetzgeber nun stellen lassen muss, wenn er Recht, Aufsicht und Praxis wirklich in Einklang bringen will.
Die Prüfungsberichtsverordnung (PrüfbV) bildet einen fundamentalen Baustein im Zusammenspiel zwischen Aufsichtsbehörden und kreditwirtschaftlichen Institutionen. Sie legt fest, in welcher Form, in welchem Umfang und mit welchen Inhalten Berichte über Prüfungen zu erstellen und einzureichen sind. Diese Berichte sind zugleich Kompass und Messinstrument der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), um Risiken besser zu erkennen und gezielt darauf zu reagieren.
Erheblicher Anpassungsbedarf nach Jahren regulatorischer Umbrüche
Bereits die Evaluierung der Prüfungsberichtsverordnung im Jahr 2021 hat gezeigt, dass sich seit ihrem Inkrafttreten massive Verschiebungen im aufsichtsrechtlichen Rahmen ergeben haben. Zahlreiche neue Gesetze – zu nennen sind hier insbesondere das Risikoreduzierungsgesetz („Risk Reduction Act“), das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz sowie Änderungen an FinaRisikoV, InstVergV, dem Bausparkassengesetz und dem PfandBG – machen eine grundständige Überarbeitung notwendig.
Dabei richtet sich der Blick auch auf die europäische Gesetzgebung: Die Neufassung der Capital Requirements Regulation (CRR), also der EU-Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, hat nicht nur technischen Anpassungsbedarf erzeugt, sondern auch neue Maßstäbe im Umgang mit Eigenkapital, Risikobewertung und Offenlegung gesetzt.
„Das Aufsichtsrecht ist eine lebendige Materie. Wer sich in dieser Disziplin nicht regelmäßig fortbildet, verliert schnell die Übersicht – und letztlich regulatorischen Rückhalt.“ Dieser Satz begleitet meine Praxis als Anwalt seit Jahren und bewahrheitet sich mit jedem neuen Entwurf eines Gesetzes oder einer Verordnung aufs Neue.
Digitalisierung als Antriebsfeder für regulatorische Änderungen
Ein zentrales Ziel der geplanten Verordnung ist die Umsetzung der Digitalisierung auf verfahrensrechtlicher Ebene. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie hat sich die digitale Einreichung von Prüfungsberichten als praktikabel und effizient erwiesen. Dieser Verfahrensweg soll künftig auch formell legitimiert und standardisiert werden.
Hinzu kommen Verbesserungen im Bereich der Mängelerfassung. Die Einführung von Klassifizierungssystemen wie F-1 bis F-4 soll die Relevanz von festgestellten Mängeln deutlicher abstufen und so eine gezieltere aufsichtliche Intervention ermöglichen. Die Nachverfolgung solcher Mängel wird künftig digital gestützt erfolgen.
Diese Maßnahmen sind nicht bloß technischer Natur – sie führen dazu, dass Aufsicht und Institute klarer, schneller und transparenter miteinander kommunizieren können. Das gilt auch für die Verwendung von standardisierten Datensätzen und strukturierter Darstellung der Prüfungsinhalte. Ein bedeutender Baustein in einer zunehmend digitalen Welt.
Verzahnung nationaler und europäischer Regulierung
In rechtlicher Hinsicht ist besonders beachtenswert, dass die angestrebte Aufhebung der Anlage 1 zur Prüfungsberichtsverordnung – das Formular „SON01“ – nicht im Rahmen der Änderungsverordnung erfolgen kann, sondern einen gesetzlichen Eingriff in das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) erfordert.
Dies verweist auf die Komplexität moderner Normsetzung im Bereich des Finanzaufsichtsrechts. Gesetze und Verordnungen stehen in einem dynamischen Wechselspiel. Ihre gegenseitige Abhängigkeit und Verweisstruktur machen jede Änderung zu einer juristischen Gratwanderung.
Wie bereits im Entwurf erwähnt, soll der notwendige Eingriff im Zuge der Umsetzung von CRD VI erfolgen. Die „Capital Requirements Directive“ ist Teil des europäischen Bankenpakets und ergänzt die CRR auf der Richtlinienebene. Sie betrifft also die Mindestanforderungen an die Eigenmittelausstattung und die Regelungen zur Governance in Instituten.
Formale Herausforderungen und Verfahrenstransparenz
Ein interessantes Detail stellt die Information dar, dass einzelne Regelungen des Entwurfs aufgrund eines verschobenen Inkrafttretens noch formale Anpassung benötigen. Als Jurist kann ich bestätigen: Derartige Nachbearbeitungen sind gängige Praxis und keineswegs Zeichen von Nachlässigkeit. Vielmehr zeigt sich hier ein verantwortungsvoller Umgang mit Gesetzgebungsvorhaben.
Die Tatsache, dass der Entwurf als schriftliches Konsultationsverfahren ausgelegt ist und keine mündliche Anhörung vorsieht, trägt zur Verfahrensbeschleunigung bei, reduziert jedoch auch die Interaktion mit beteiligten Interessenvertretern. Gleichwohl wird auf Transparenz gesetzt: Stellungnahmen sollen veröffentlicht werden – es sei denn, es wird explizit widersprochen. Für den rechtlichen Diskurs ist dies ein wichtiges Signal.
Einordnung im Spannungsfeld wirtschaftlicher Interessen
Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen und ihre internen wie externen Prüfer müssen sich – soweit der Entwurf in Kraft tritt – auf erweiterte Dokumentations-, Klassifizierungs- und Übermittlungsanforderungen einstellen. Auch IT-Systeme sind ggf. anzupassen, um etwa Klassifizierungscodes oder strukturierte Berichte erzeugen zu können.
Als langjähriger Begleiter entsprechender Mandate aus der Branche weiß ich: Der Verwaltungsaufwand steigt initial, langfristig jedoch profitiert die Branche von einer gesteigerten Systematisierung, Effizienz sowie klareren aufsichtsrechtlichen Erwartungen.
„Wer Ordnung schafft, erleichtert sich die Verteidigung, sollte es einmal zu Fragestellungen der BaFin kommen. Gute Dokumentation ist der beste Schutz vor Sanktionen.“
Prüfungsberichtsverordnung als Werkzeug der Aufsicht
Die Prüfungsberichtsverordnung ist deutlich mehr als eine technische Detailfrage. Sie ist das institutionalisierte Sprachrohr zwischen Prüfer und Aufsicht. Sie kanalisiert die Ergebnisse komplexer unternehmensinterner Prüfprozesse. Ihre Änderungen präzisieren gleichermaßen die Pflichten von Instituten wie die Reaktionsmöglichkeiten der BaFin.
Vereinfachungen in der Einreichung, Standardisierung, Klassifizierung – all dies wird unweigerlich dazu führen, dass Prüfprozesse effizienter gestaltet werden können. Gleichzeitig erfordert dies von den Instituten eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den neuen Anforderungen.
Diese Anpassungsprozesse sind nicht trivial. Sie betreffen interne Kontrollsysteme, die Gestaltung von Prüfprozessen durch Wirtschaftsprüfer, aber auch die vorgelagerte Compliance-Architektur eines Instituts. Nur wer frühzeitig handelt, wird angesichts der steigenden Komplexität der Regulierung nicht ins Hintertreffen geraten.
Ergebnis: Eine notwendige, wenn auch komplexe Regulation
Dieser Entwurf läutet keine Revolution ein, sondern ist Teil einer andauernden Evolution des aufsichtsrechtlichen Rahmens. Die Veränderungen sind notwendig, um den Anforderungen modernen Bankgeschäfts, internationaler Harmonisierung und digitaler Prozesse gerecht zu werden.
Juristisch betrachtet erfordert das Vorhaben ein hohes Maß an Präzision, Koordination und Fingerspitzengefühl. Der Entwurf ist nicht nur eine Reaktion auf die europäische Normgebung, sondern auch eine Weiterentwicklung nationaler Aufsichtsrealität.
Abschließend kann festgestellt werden: Die geplante Änderung der Prüfungsberichtsverordnung steht exemplarisch für ein zunehmend technisiertes und digitales Finanzaufsichtssystem. Es bleibt zu hoffen, dass die betroffenen Akteure die Gelegenheit zur Konsultation nutzen, um ihre strukturellen und praktischen Anforderungen frühzeitig zur Sprache zu bringen.
Falls Sie Unterstützung bei der rechtlichen Einordnung der neuen Prüfungsanforderungen, bei der praktischen Umsetzung in der Organisation oder bei der Kommunikation mit der BaFin benötigen, nehmen Sie gerne Kontakt auf.