Muss ich als Verkäufer losfahren und das Auto abholen oder kann ich warten, bis das Auto wieder bei mir auf dem Hof steht?
Da hat man als Autoverkäufer so gut ein Auto über Autoscout24.de verkauft. Das Geld ist vereinnahmt. Nun zeigt sich ein Mangel und der Käufer macht Gewährleistungsrechte geltend. Zudem bleibt leider das Auto während der Gewährleistung einfach irgendwo stehen. Das Automobil ist bekanntlich mobil und in den seltensten Fällen tritt ein Motorschaden direkt vor der Haustür des Verkäufers ein. Wie ist es denn jedoch im Rahmen der Nacherfüllung für den Verkäufer, wenn das Auto sich außerhalb seines Radius befindet? Kann der Verkäufer verlangen, dass der Käufer das Fahrzeug zu ihm bringt, oder reicht es, wenn das Auto in der Werkstatt bleibt, in die es abgeschleppt wurde?
Diese Frage beschäftigt nicht nur betroffene Käufer, sondern auch die Gerichte. In einem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 28.08.2015 – 2-24 O 201/13) wurde ein Fall entschieden, bei dem es genau um diese Frage ging. Der Kläger, der sein Fahrzeug in eine Vertragswerkstatt in der Nähe seines Wohnorts hatte abschleppen lassen, verlangte vom Verkäufer eine Reparatur. Der Verkäufer verweigerte dies jedoch und bestand darauf, dass das Fahrzeug zu ihm gebracht werde, was der Kläger nicht tat. Grundsätzlich könnte man als Schluss aus § 439 II BGB (Verkäufer trägt die im Rahmen der Nacherfüllung notwendigen Kosten) davon ausgehen, dass der Ort der Nacherfüllung, also der Ort, an welchem der Verkäufer gegebenenfalls nachzubessern hat, beim Verkäufer ist.
Das Landgericht geht jedoch davon aus, dass § 439 BGB den Nacherfüllungsort nicht regelt. Mithin ist auf § 269 BGB abzustellen.
Nach dieser Norm kommt es erst einmal auf eine Parteivereinbarung oder die Natur des Schuldverhältnisses an. Normalerweise schließen die Verkäufer und Käufer solch eine Vereinbarung nicht, sodass es dann nach Rechtsprechung des BGH auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (BGH, Urteil vom 19. 12. 2012 – VIII ZR 96/12).
Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass der Erfüllungsort der Nacherfüllung in diesem Fall der Standort des defekten Fahrzeugs, also die Werkstatt, war. Der Grund dafür liegt in den erheblichen Unannehmlichkeiten, die dem Kläger entstanden wären, hätte er das nicht fahrbereite Fahrzeug zum Verkäufer transportieren müssen. Diese Unannehmlichkeiten bestehen trotz der Kostentragungspflicht des Verkäufers gemäß § 439 II BGB.
Warum der Standort entscheidend sein kann?
Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verdeutlicht, dass der Erfüllungsort der Nacherfüllung nicht immer der Sitz des Verkäufers sein muss, sondern auch der Ort, an dem sich das defekte Fahrzeug befindet. Dies ist besonders relevant, wenn das Fahrzeug aufgrund seines Zustands nicht mehr fahrbereit ist. In solchen Fällen kann es für den Käufer eine erhebliche (zeitliche und nervliche) Belastung darstellen, das Fahrzeug über eine größere Distanz zu transportieren, was das Gericht als unzumutbar ansah.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in ähnlichen Fällen entschieden, dass es für den Käufer unzumutbar sein kann, das Fahrzeug zum Verkäufer zu bringen, selbst wenn der Verkäufer die Transportkosten übernimmt. Zeit, Mühe und die Organisation des Transports stellen eine erhebliche Unannehmlichkeit dar, die nicht pauschal als unerheblich eingestuft werden kann (BGH, Urteil vom 13.04.2011 – VIII ZR 220/10).
Praktische Tipps für Käufer und Verkäufer
Für Käufer ist es wichtig, dass sie bei einem mangelhaften Fahrzeug den Verkäufer unverzüglich über den Schaden und den Standort des Fahrzeugs informieren. Eine klare Kommunikation ist hilfreich, um Missverständnisse zu vermeiden und den Prozess der Nacherfüllung zu beschleunigen.
Verkäufer sollten sich bewusst sein, dass sie in Fällen, in denen das Fahrzeug nicht mehr fahrtüchtig ist, verpflichtet sein könnten, die Nacherfüllung am Standort des Fahrzeugs durchzuführen. Eine Weigerung, das Fahrzeug dort zu begutachten oder zu reparieren, kann als Pflichtverletzung gewertet werden, die zu weiteren Gewährleistungsansprüchen wie beispielsweise Schadensersatzansprüchen führen kann.