Autobetrug – Rücktritt vom Gebrauchtwagenkauf trotz vertraglich ausgeschlossenen Rücktritt? – von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin

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Dr. Thomas Schulte

Dr. Thomas Schulte ist Rechtsanwalt und Fachautor aus Berlin. Seit 1995 ist die Kanzlei erfolgreich zivilrechtlich schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Internets-, Reputations- und Wettbewerbsrecht tätig. Ich vertrete bundesweit die Interessen einzelner Anleger und arbeite zumeist via Email, Telefon oder Videomeeting für meine Mandanten. Der gute Ruf – Reputationsrecht und Beratung im Internet ist ein Arbeitsschwerpunkt.

Das Landgericht (LG) Flensburg hat mit Urteil vom 3. Mai 2024,  2 O 263/20 eine interessante Entscheidung getroffen, die einen Gebrauchtwagenfall betrifft. Die Parteien stritten vor Gericht um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw. 

Der Käufer erwarb für seinen Privatgebrauch beim Gebrauchtwagenhändler, welcher einen gewerblichen Gebrauchtwagenhandel betreibt, mit Kaufvertrag vom 13. Januar 2020 einen gebrauchten Pkw BMW 640D, Baujahr 2012, Kilometerstand: 105.000 km für einen Kaufpreis in Höhe von 27.950 €, finanziert über einen Bankkredit. Vor Gericht kam raus, dass der Käufer mit Zeugen das Auto besichtigt hatte und die Parteien bemerkten und vereinbarten, dass das Abblendlicht vorne links defekt sei und der Verkäufer sagte zu, dieses bis zur Übergabe des Pkw zu reparieren. 

Der Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag ist im Vertrag ausgeschlossen worden.

Verbrauchsgüterkauf – Grundsätzlich gilt jetzt

Da der Gebrauchtwagenhändler als gewerblicher Händler tätig ist und der BMW-Käufer das Fahrzeug für private Zwecke gekauft hat, liegt ein Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 BGB vor. Dies bedeutet, dass der BMW-Käufer als Verbraucher und der Gebrauchtwagenhändler als Unternehmer im rechtlichen Sinne anzusehen sind. Beim Verbrauchsgüterkauf kann gemäß § 476 BGB die Sachmängelhaftung durch den Händler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Bei gebrauchten Sachen kann die Verjährung der Haftung höchstens auf ein Jahr verkürzt werden. Diesbezügliche Ansprüche müssen also innerhalb eines Jahres ab Gefahrübergang durch den Käufer gerichtlich geltend gemacht werden. Generell  müsste der Käufer demnach nachweisen, dass ein Mangel vorliegt, der die Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs beeinträchtigt. Der Kauf wurde offenbar über eine Drittbank finanziert, was darauf hindeutet, dass eventuell eine Verknüpfung zwischen Kaufvertrag und Darlehensvertrag besteht (§ 358 BGB). Im Falle eines Widerrufs oder einer Rückabwicklung des Kaufvertrags könnte dies auch Auswirkungen auf den Darlehensvertrag haben.

Rechte des Käufers bei Mängeln: Falls der BMW-Käufer einen Mangel an dem Fahrzeug feststellt, hat er grundsätzlich das Recht auf Nacherfüllung (Reparatur oder Nachlieferung). Falls diese fehlschlägt, kann er unter bestimmten Umständen den Kaufpreis mindern oder vom Vertrag zurücktreten (§§ 437, 439 BGB). 

Dies gilt grundsätzlich jedoch nicht, wenn das Rücktrittsrecht des Käufers wirksam vertraglich ausgeschlossen wurde.

Besonderheit Rücktritt ausgeschlossen

In dem sodann abgeschlossenen Kaufvertrag heißt es u.a.: „GESONDERTVEREINBART: Rücktritt ist von der Finanzierung sowie vom Kaufvertrag ausgeschlossen.“ Der Pkw wurde am 28. Januar 2020 an den BMW-Käufer übergeben, der Kaufpreis vollständig gezahlt.

Es kam sodann zu mehrfachen Mängelrügen durch den BMW-Käufer. Kurz nach der Übergabe rügte der BMW-Käufer gegenüber dem Gebrauchtwagenhändler neben weiteren Mängeln insbesondere die laut BMW-Käufer fortbestehende Fehlfunktion des Abblendlichts vorne links. Der Gebrauchtwagenhändler nahm am 17. Februar 2020 einen Reparaturversuch vor, in dessen Rahmen einzelne Mängel behoben wurden. Eine Fehlfunktion des Abblendlichts konnte der Gebrauchtwagenhändler seinen Angaben nach nicht feststellen. Nach Rückgabe des Fahrzeugs an den BMW-Käufer rügte dieser erneut gegenüber dem Gebrauchtwagenhändler telefonisch vornehmlich den von ihm behaupteten Mangel am Scheinwerfer. Der BMW-Käufer ließ von einer BMW-Vertragswerkstatt einen Kostenvoranschlag über die Beseitigung dieses sowie weiteren Mängel erstellen. Den Kostenvoranschlag übersandte der BMW-Käufer mit Schreiben vom 31. März 2020 an den Gebrauchtwagenhändler und forderte diesen auf, die in dem Kostenvoranschlag benannten Mängel innerhalb von 2 Wochen ab Erhalt des Schreibens zu beseitigen. Der Gebrauchtwagenhändler holte den Pkw am 2. April 2020 erneut beim BMW-Käufer ab und brachte ihn am 29. April 2020 zurück. Der Gebrauchtwagenhändler hatte diverse Arbeiten an dem Pkw vorgenommen, an dem Scheinwerfer seinen Angaben nach aber erneut keinen Mangel feststellen können.

Rücktritt trotz ausgeschlossenen Rücktritt

Mit Schreiben vom 3. Mai 2020 erklärte der BMW-Käufer gegenüber dem Gebrauchtwagenhändler den Rücktritt vom Kaufvertrag unter der Behauptung, dass diverse Mängel fortbestünden, insbesondere der Mangel am Scheinwerfer. Er forderte den Gebrauchtwagenhändler auf, den Kaufpreis bis zum 18. Mai 2020 an das Kreditinstitut zurückzuzahlen und teilte mit, das Fahrzeug nach vorheriger Terminabsprache zur Abholung zur Verfügung zu stellen. Zudem forderte er den Gebrauchtwagenhändler auf, binnen derselben Frist die für den Kostenvoranschlag entstandenen Kosten zu erstatten. Der Gebrauchtwagenhändler wies den Rücktritt zurück (Der BMW Käufer erklärte mit Schreiben vom 4. Juni 2020 durch seinen Rechtsanwalt erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn zur Zahlung der Kosten für den Kostenvoranschlag sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bis zum 30. Juni 2020 auf. Am 09. November 2020 belief sich der Kilometerstand auf 119.467 km. Das Gericht holte dann ein Gutachten eines Sachverständigen ein, um eine gerechte Entscheidung zu treffen. 

Entscheidung des Landgerichts gibt dem Opfer Recht

Dem BMW-Käufer steht gegen den Gebrauchtwagenhändler ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des streitbefangenen Pkw zu aus §§ 437 Nr.2, 323 Abs.1, 346 Abs. 1 BGB.

Kein wirksamer Ausschluss des Rücktrittsrechts

Auf die Vereinbarung im Kaufvertrag, wonach der Rücktritt ausgeschlossen wurde, kann sich der Gebrauchtwagenhändler gemäß § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht berufen. Danach kann sich bei Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs der Unternehmer auf eine vor Mitteilung eines Mangels getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433 bis 435, 437,439 bis 441 und 443 BGB abweicht, nicht berufen. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Die Parteien haben in Abweichung von § 437 BGB vereinbart, dass der Rücktritt ausgeschlossen ist. Der Mangel am Abblendlicht wurde dem Gebrauchtwagenhändler auch nicht im Sinne von § 476 Abs.1 S.1 BGB vor Ausschluss des Rücktrittsrechts durch den BMW-Käufer „mitgeteilt“. Der BMW-Käufer wurde zwar von dem Gebrauchtwagenhändler vertretenen Zeugen darüber informiert, dass ein Mangel am Abblendlicht vorlag, gleichzeitig wurde ihm aber zugesagt, dass der Mangel am Abblendlicht vor Übergabe beseitigt werden würde. Der BMW-Käufer rechnete also nicht mit dem Vorliegen des Mangels im Zeitpunkt der Übergabe, sodass er sich auch nicht bewusst darüber sein konnte, dass er auf das Rücktrittsrecht im Hinblick auf diesen Mangel verzichtete. Zudem wurde der Ausschluss des Rücktritts auch nicht auf die im Rahmen der Besichtigung des Fahrzeuges dem BMW-Käufer mitgeteilten Mängel beschränkt. Auch aus diesem Grund kann sich der Gebrauchtwagenhändler auf den Ausschluss des Rücktrittsrechts nicht berufen. Denn § 476 BGB erlaubt nur den Ausschluss von Rechten in Bezug auf den konkret mitgeteilten Mangel (BeckOK BGB, 69. Edition, Stand 01.02.2024, § 476 Rn.17). M.a.W.: der Ausschluss des Rücktritts war ein sinnloses Blatt Papier, weil es der Gerechtigkeitsidee des Kaufrechts mit einem Verbraucher widerspricht. 

Mangel bei Gefahrübergang und Erheblichkeit des Mangels

Der Mangel ist auch im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB erheblich. Die Erheblichkeitsprüfung erfordert eine umfassende Interessenabwägung. Zu berücksichtigen sind vor allem die Intensität des Mangels und der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erheblichkeit ist der Zeitpunkt der Rücktritterklärung. Die Erheblichkeit wird in der Regel indiziert durch die Sicherheitsrelevanz eines Mangels. Von der Erheblichkeit kann zudem dann regelmäßig ausgegangen werden, wenn die Mangelbeseitigungskosten mindestens 5 % der vereinbarten gegen Leistung betragen (insgesamt Grüneberg, BGB, 83. Auflage 2024, § 323 Rn. 32). Unter Anwendung dieses Maßstabes hält das Gericht den Mangel am vorderen linken Scheinwerfer für erheblich. Bezüglich der Mangelbeseitigungskosten hat der gerichtliche Sachverständige keine Feststellungen getroffen, da er den Mangel nicht bestätigen konnte. Nach § 17 Abs.2a S.2, Abs.3 S.1 StVO ist bei Dämmerung, Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern, das Einschalten des Abblendlichts vorgeschrieben. Die unzureichende Beleuchtung ist gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 17 StVO in Verbindung mit § 24 StVG zudem bußgeldbewehrt. In einer Gesamtschau ist der Mangel somit als erheblich zu bewerten. Da die Frist, die dem BMW-Verkäufer gesetzt wurde, ausreichend war, war der Rücktritt in Ordnung und der Anspruch auf Nacherfüllung besteht. 

Wie können Gewährleistungsrechte ausgeschlossen sein? Diese sind doch im BGB explizit vorgesehen

Ein Ausschluss der Gewährleistung beim Kauf ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Grundsätzlich sind die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gemäß den §§ 433 ff. BGB gesetzlich verankert und schützen den Käufer bei Mängeln der Kaufsache. Es gibt jedoch gesetzliche und vertragliche Möglichkeiten, die Gewährleistung auszuschließen.

Ein gesetzlicher Ausschluss der Gewährleistung ergibt sich beispielsweise aus § 442 BGB, wenn der Käufer den Mangel der Kaufsache bei Vertragsschluss kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, es sei denn, der Verkäufer hat den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie übernommen (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein weiterer gesetzlicher Ausschluss besteht bei öffentlichen Versteigerungen gemäß § 445 BGB, allerdings nur bei Versteigerungen nach den strengen Vorgaben des § 383 Abs. 3 BGB​. Des Weiteren ist im Hinblick auf einen Handelskauf an § 377 HGB zu denken. Demnach muss ein Kaufmann einen Mangel unverzüglich rügen.

Vertraglich können die Parteien ebenfalls die Gewährleistung ausschließen, insbesondere bei privaten Verkäufen. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist der Ausschluss jedoch nur eingeschränkt möglich. Nach § 309 Nr. 7 BGB zum Beispiel ist ein vollständiger Ausschluss der Haftung für Schäden aus der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit in AGB unzulässig. Schadensersatzansprüche können in den AGB nur begrenzt ausgeschlossen werden. Für den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) ist ein Haftungsausschluss in Bezug auf die kaufrechtlichen Gewährleistungsausschlüsse grundsätzlich unwirksam, vornehmlich nach § 476 Abs. 1 BGB, um die Rechte des Verbrauchers zu schützen​. Es handelt sich hierbei um die Umsetzung von europäischem Recht, welches dem Gedanken des Verbraucherschutzes Rechnung trägt.

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