Berlin, Herbst 2024: Tachomanipulation – ein gängiger Betrug, bei dem Käufer bewusst getäuscht und höhere Verkaufspreise erzielt werden. Dieses Problem ist so verbreitet, dass der Gesetzgeber mit § 22b StVG (Missbrauch von Wegstreckenzählern) eine eigene Strafvorschrift eingeführt hat. Das Gesetz zur Bekämpfung von Tachomanipulation trat bereits am 1. Januar 2018 in Kraft, um der zunehmenden Praxis entgegenzuwirken. Die Zahlen bestätigen den Handlungsbedarf: Laut Polizei und ADAC sind etwa 17 Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland betroffen – in der oberen Mittelklasse sind es sogar 21 Prozent. Eine Analyse von Carly, einem Dienstleister zur Beweissicherung, zeigt, dass rund 10 Prozent der Gebrauchtwagen in Deutschland Anzeichen von Tachomanipulation aufweisen.
Tipps und Tricks für Opfer von Autobetrug
Immer wieder versuchen Betrüger, durch falsche Angaben zum Zustand eines Gebrauchtwagens Käufer zu täuschen, umso höhere Preise zu erzielen. Ein beliebtes Mittel: die Manipulation des Kilometerstands. Doch wie ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin zeigt (LG Berlin 46. Zivilkammer, Urteil vom 27.10.2021 – 46 O 262/21), reicht der reine Verdacht auf einen manipulierten Tachometer nicht aus, um den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Der Käufer muss dem Verkäufer vielmehr ein arglistiges Handeln nachweisen.
Der Fall: Ein Mann hatte einen gebrauchten BMW erworben und nachträglich die Laufleistung durch Auslesen des Schlüssels überprüfen lassen. Dabei stellte sich heraus, dass die im Kaufvertrag angegebene Laufleistung von 173.118 km nicht korrekt war. Der Käufer fühlte sich betrogen und verklagte den Händler auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und scheiterte.
Das Urteil: Das Landgericht wies die Klage ab. Zwar räumte das Gericht ein, dass der angegebene Kilometerstand tatsächlich von der tatsächlichen Laufleistung abwich. Allerdings konnte der Käufer nicht beweisen, dass der Verkäufer von der Manipulation gewusst haben muss. Die bloße Behauptung, der Händler hätte es wissen müssen, reichte dem Gericht nicht aus.
Vernünftige Beweise führen zur Überzeugung des Gerichts
Die rechtlichen Hintergründe: Beim Gebrauchtwagenkauf gilt grundsätzlich „gekauft wie gesehen“, wenn das so vereinbart ist. Das bedeutet, dass der Käufer das Risiko trägt, ein Fahrzeug mit Mängeln zu erwerben. Ausnahmen von dieser Regel gibt es nur, wenn der Verkäufer arglistig handelt, also bewusst falsche Angaben macht oder Mängel arglistig verschweigt. Des Weiteren, wenn ein Ausschluss der Gewährleistung (gegenüber einem Verbraucher) unwirksam war.
Im konkreten Fall hätte der Käufer beweisen müssen, dass der Händler von der Tachomanipulation gewusst hat. Da es ihm nicht gelang, diesen Beweis zu erbringen, wurde die Klage abgewiesen.
Jetzt ist Cleverness gefragt und Fleiß – Datendetektive gewinnen solche Prozesse vor dem Gericht
Gerechtigkeit ist wichtig. Richter müssen sich eine Überzeugung bilden und können nicht einfach auf Vermutungen hin Urteile bilden. Beim Autokauf ist der Beweis eines Betruges aber für Datendetektive nicht so schwer. Hier die Tipps und Tricks für die Opfer.
- Fahrzeug-Identifikationsnummer (VIN)
Die VIN ist ein einzigartiger Code, der jedem Fahrzeug zugeordnet ist und wichtige Informationen über dessen Herkunft und Geschichte liefert. Käufer sollten die VIN nutzen, um:
- die Fahrzeughistorie zu überprüfen: Durch Online-Datenbanken oder beim Hersteller kann man herausfinden, ob das Fahrzeug in Unfälle verwickelt war oder ob es eine Historie von Tachomanipulationen gibt.
- die Servicehistorie einzusehen: Oftmals sind Wartungs- und Reparaturarbeiten an die VIN gebunden. Ein Abgleich dieser Daten mit dem angegebenen Kilometerstand kann Unstimmigkeiten aufdecken.
- Werkstatthistorie
Die Werkstatthistorie ist ein weiterer wichtiger Aspekt zur Überprüfung der Kilometerstände. Hierbei sollte Folgendes beachtet werden:
- Wartungsbelege und Rechnungen: Diese Dokumente sollten auf Konsistenz geprüft werden. Ein Fahrzeug sollte im Durchschnitt etwa 12.000 Kilometer pro Jahr gefahren worden sein. Abweichungen können auf eine Manipulation hinweisen.
- Digitales Protokoll: Viele moderne Fahrzeuge speichern Wartungsdaten digital im Steuergerät oder im Schlüssel. Fachwerkstätten können diese Daten auslesen und mit dem aktuellen Tacho abgleichen.
- Unstimmigkeiten in den Berichten: Überprüfen Sie TÜV- und HU-Berichte sowie andere Wartungsunterlagen auf Diskrepanzen. Fehlen diese Dokumente, sollte die Vertrauenswürdigkeit des Verkäufers hinterfragt werden.
- Voreigentümer
Die Anzahl der Voreigentümer und deren Wartungshistorie können ebenfalls Hinweise auf Tachomanipulation geben:
- Fragen zu Vorbesitzern: Käufer sollten versuchen, Informationen über frühere Besitzer zu sammeln, um deren Wartungsverhalten zu verstehen. Wenn ein Fahrzeug häufig den Besitzer wechselt, könnte dies ein Warnsignal sein.
- Überprüfung der Vorbesitzer: Wenn das Auto mehrere Vorbesitzer hatte, kann es schwierig sein, den Ursprung einer Manipulation nachzuverfolgen, da jeder Vorbesitzer potenziell für Manipulationen verantwortlich sein könnte.
Der Nachweis von Tachomanipulation erfordert somit eine gründliche Überprüfung der Fahrzeughistorie, einschließlich VIN, Werkstatthistorie und Informationen zu Voreigentümern. Auch der grundsätzliche Zustand des Fahrzeugs kann Rückschlüsse erlauben. Käufer sollten sich nicht nur auf die Angaben des Verkäufers verlassen, sondern aktiv nach Beweisen suchen, um sich vor möglichen Betrügereien zu schützen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen verlangen einen klaren Nachweis arglistigen Handelns, was bedeutet, dass Käufer gut informiert sein müssen, um ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.
Käufer sollten sich stets bewusst sein, dass der Verdacht einer Tachomanipulation allein nicht ausreicht, um einen Kaufvertrag rückgängig zu machen; es bedarf solider Beweise für arglistiges Verhalten seitens des Verkäufers.