Autorecht: Muss nach einem Unfall immer repariert werden?

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Valentin Schulte

Als Mitgründer von ABOWI LAW und einem Master in Volkswirtschaft, sowie als Jurastudent, besitzt er ein tiefes Verständnis für ökonomische Zusammenhänge und rechtliche Fragestellungen. Seine vielseitige akademische Ausbildung ermöglicht es ihm, fundierte, strategische Beratungen anzubieten und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Voraussetzungen der fiktiven Abrechnung, von stud. iur. Valentin Schulte, Berlin

Nach einem Verkehrsunfall stellt sich häufig die Frage, ob eine tatsächliche Reparatur zwingend erforderlich ist, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Holger M. aus Wuppertal, der mit seinem BMW 3er auf regennasser Fahrbahn in einen Auffahrunfall verwickelt wurde, entschied sich, die Reparaturkosten auf Basis eines Gutachtens geltend zu machen, ohne das Fahrzeug tatsächlich reparieren zu lassen. Diese Vorgehensweise, bekannt als fiktive Abrechnung, ist gemäß § 249 BGB unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dabei spielt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sowie weiterer Gerichte eine entscheidende Rolle.

Grundsatz der Schadensminderung und Wahlfreiheit

Gemäß § 249 Absatz 2 BGB hat der Geschädigte Anspruch auf den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag. Er kann frei entscheiden, ob er den Schaden reparieren lässt oder die Reparaturkosten auf fiktiver Basis abrechnet. Dabei ist jedoch der Grundsatz der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB zu beachten. Dieser verpflichtet den Geschädigten, wirtschaftlich zu handeln.

Ein Beispiel: Sabine K. aus Leipzig, deren Mercedes A-Klasse durch einen Parkrempler leichte Lackschäden aufwies, ließ die Schäden nicht beheben. Sie entschied sich, die günstigeren Reparaturkosten einer freien Werkstatt auf Basis eines Kostenvoranschlags geltend zu machen, um bewusst unwirtschaftliche Maßnahmen zu vermeiden.

Voraussetzungen der fiktiven Abrechnung

Die fiktive Abrechnung setzt einige wichtige Bedingungen voraus. Diese können wie folgt zusammengefasst werden:

  1. Gutachten oder Kostenvoranschlag 

    Der Schaden wird auf Basis eines Sachverständigengutachtens oder eines Kostenvoranschlags ermittelt.Beispiel: Michael P. aus Hamburg, dessen Audi Q5 durch einen Seitenaufprall erhebliche Karosserieschäden erlitt, legte ein Gutachten vor, das die Reparaturkosten auf 8.000 Euro schätzte. Die Versicherung akzeptierte das Gutachten, da es von einem anerkannten Sachverständigen erstellt wurde.

  1. Angemessenheit der Kosten 

    Die im Gutachten aufgeführten Kosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein.Lisa H. aus München, die ihren Fiat 500 nach einem Unfall in eine freie Werkstatt brachte, erhielt die Gutachterkosten erstattet. Es war ersichtlich, dass keine überhöhten Positionen angesetzt wurden.

  1. Regionalität 

    Zusatzkosten wie UPE-Aufschläge oder Verbringungskosten sind nur erstattungsfähig, wenn sie in der Region des Geschädigten üblich sind.Thomas S. aus Frankfurt, der seinen VW Golf zur Beilackierung in eine Werkstatt bringen wollte, konnte Verbringungskosten ansetzen, da diese regional als Standard gelten.

Erstattungsfähige Positionen

Folgende Reparaturpositionen können bei der fiktiven Abrechnung angesetzt werden, sofern sie im Gutachten als erforderlich angegeben sind:

  • UPE-Aufschläge 

    Beispiel: Anna L. aus Nürnberg, deren Volvo XC60 durch einen Seitenaufprall beschädigt wurde, konnte UPE-Aufschläge geltend machen, da diese in der Region als ortsüblich galten.

  • Verbringungskosten 

    Jonas F. aus Köln, der seinen Opel Corsa zur Lackiererei bringen ließ, konnte die Kosten für den Transport geltend machen, da sie im Gutachten nachvollziehbar aufgeführt waren.

  • Beilackierung 

    Wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass benachbarte Fahrzeugteile farblich angepasst werden müssen, sind diese Kosten ebenfalls erstattungsfähig.Beispiel: René W. aus Dresden konnte für seinen Ford Focus Beilackierungskosten geltend machen, da der Lackierer im Gutachten darauf hingewiesen hatte.

  • Reinigungs- und Entsorgungskosten 

    Diese Kosten werden ersetzt, wenn sie für die Durchführung der Reparatur erforderlich sind.

  • Prüf- und Probefahrten 

    Auch diese Kosten können angesetzt werden, wenn sie im Gutachten nachvollziehbar als erforderlich dargestellt werden.

Einschränkungen der fiktiven Abrechnung

Einige Einschränkungen sind zu beachten:

  • Verweisung auf günstigere Werkstätten 

    Ist das Fahrzeug älter als drei Jahre oder wurde es nicht regelmäßig in einer markengebundenen Werkstatt gewartet, kann die gegnerische Versicherung den Geschädigten auf eine kostengünstigere Alternative verweisen.Beispiel: Klaus T. aus Stuttgart, dessen Renault Clio älter als fünf Jahre war, wurde auf eine freie Werkstatt verwiesen, die ebenfalls qualitativ hochwertige Arbeit bot.

  • Keine Mehrwertsteuererstattung

Gemäß § 249 Absatz 2 Satz 2 BGB wird die Mehrwertsteuer nur erstattet, wenn sie tatsächlich angefallen ist.

Petra J. aus Mainz, die eine Nettoabrechnung für ihren Peugeot 308 beantragte, erhielt keine Mehrwertsteuer erstattet, da keine tatsächliche Reparatur durchgeführt wurde.

  • Eigenreparatur und Nutzungsausfall

Entscheidet sich der Geschädigte, das Fahrzeug eigenständig oder gar nicht zu reparieren, besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.

Beispiel: Steffen R. aus Dortmund, der sein beschädigtes Fahrzeug eigenständig instand setzte, konnte keine Nutzungsausfallentschädigung beanspruchen.

Beispiel: Unfall und fiktive Abrechnung

Manuel R. aus Bremen wurde mit seinem Skoda Octavia in einen unverschuldeten Unfall verwickelt. Das Fahrzeug wies Frontschäden auf, die laut Gutachten eine Reparatur in Höhe von 6.500 Euro erforderlich gemacht hätten. Da das Fahrzeug weiterhin fahrbereit war, entschied sich Manuel für die fiktive Abrechnung. Die gegnerische Versicherung argumentierte, dass UPE-Aufschläge in seiner Region nicht üblich seien. Nach gerichtlicher Klärung wurde Manuel die volle Summe zugesprochen, da das Gutachten nachvollziehbar und plausibel war.

Aktuelle Rechtsprechung – Die Rechtsprechung setzt klare Leitlinien:

  • BGH, Urteil vom 20.10.2009 (DAR 2010, 77)

Der Geschädigte kann sich auf die ortsüblichen Kosten einer markengebundenen Werkstatt berufen.

Beispiel: Paul G. aus Hannover, dessen Toyota Yaris beschädigt wurde, erhielt die Reparaturkosten auf Basis einer markengebundenen Werkstatt erstattet.

  • BGH, Urteil vom 25.9.2018 (DAR 2019, 79)

Verbringungskosten sind erstattungsfähig, wenn sie regional typisch sind.

Beispiel: Nina S. aus Freiburg konnte diese für ihren Renault Captur geltend machen.

Fazit für fiktive Abrechnungen

Die fiktive Abrechnung bietet den Geschädigten eine flexible Möglichkeit, Schadensersatz geltend zu machen, ohne den Schaden reparieren zu lassen. Entscheidend sind jedoch nachvollziehbare Gutachten, wirtschaftliches Handeln und die Einhaltung regional üblicher Standards.

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