Grenzenlos versichert? Die TRIAS-Expansion im EU-Recht. Was darf ein deutscher Versicherer im europäischen Ausland – und wo endet der Spielraum? Die BaFin-Entscheidung zur TRIAS öffnet Türen, aber auch Fragen.
Was auf den ersten Blick nach einer nüchternen Formalie klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als strategischer Meilenstein mit juristischem Tiefgang: Die TRIAS Versicherung Aktiengesellschaft darf künftig europaweit operieren – grenzüberschreitend, im gesamten EWR-Raum, mit BaFin-Segen. Doch wie weit reicht dieser Handlungsspielraum tatsächlich? Und welche aufsichtsrechtlichen Fallstricke lauern, wenn ein national reguliertes Unternehmen plötzlich europäische Märkte betritt?
Die Entscheidung der BaFin, die Geschäftserweiterung zu genehmigen, wirft zentrale Fragen des europäischen Versicherungsrechts auf: Was bedeutet „Niederlassungsfreiheit“ nach Art. 14 ff. Solvency II konkret? Reicht eine Meldung an die Aufsichtsbehörde aus – oder braucht es ein umfassendes Konformitätskonzept? Wer trägt die Verantwortung bei grenzüberschreitenden Schadensfällen? Und wie wird sichergestellt, dass deutsches Know-how nicht an europäischer Vielfalt scheitert?
Die TRIAS-Expansion ist ein Paradebeispiel für den wachsenden Anspruch an juristische Präzision in einem dynamischen, europäischen Markt. Als Fachmann sehe ich darin eine Chance für mehr Wettbewerb – aber auch eine Herausforderung für Compliance, Verbrauchertransparenz und Aufsichtspraxis.
Denn: Mit dem Passierschein ins europäische Versicherungsgeschäft beginnt kein Selbstläufer, sondern eine neue Ära der rechtlichen Verantwortung. Wer sie betritt, sollte wissen, worauf er sich einlässt.
Was regelt die BaFin konkret?
Mit der Verfügung vom 18.06.2025 erlaubt die BaFin der TRIAS Versicherung AG die Ausweitung ihres Versicherungsgeschäftes um gleich vier wesentliche Versicherungssparten gemäß Anlage 1 zum VAG. Diese Entscheidung erlaubt der Gesellschaft, zusätzliche Risiken zu decken. Damit geht nicht nur eine betriebswirtschaftliche Aufwertung einher, sondern auch eine juristische Verantwortung, die aufsichtsrechtlich genau kalkuliert ist. Als Jurist erkenne ich darin eine strategische Neuausrichtung innerhalb der Grenzen des deutschen und europäischen Versicherungsrechts.
Dabei handelt es sich um folgende Sparten: Feuer- und Elementarschäden, Hagel-, Frost- und sonstige Sachschäden, allgemeine Haftpflicht sowie nichtkommerzielle finanzielle Verluste. Die Relevanz dieser Erweiterungen liegt nicht nur in einer quantitativen Ausweitung, sondern auch im Hinblick auf qualitative Versicherungsprodukte, die nun im gesamten EWR rechtskonform angeboten werden dürfen.
„Die Aufstellung in diesen Bereichen bedeutet nicht nur Wachstumspotential, sondern verlangt auch ein solides Governance-System. Rechtlich betrachtet ist die Einhaltung der §§ 5-8 VAG, insbesondere im Hinblick auf Solvabilität und Unternehmensführung, von zentraler Bedeutung,“ erläutert Dr. Schulte.
Versicherungsaufsicht in Deutschland – ein starker Rahmen
In Deutschland regelt das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) die Notwendigkeit behördlicher Erlaubnis für den Betrieb eines Erstversicherungsunternehmens. § 8 Abs. 1 VAG stellt klar: „Ein Versicherungsunternehmen darf das Erstversicherungsgeschäft im Inland nur betreiben, wenn es zuvor die Erlaubnis der Aufsichtsbehörde erhalten hat.“ Diese Erlaubnis umfasst spezifische Sparten, wobei jede darüber hinausgehende Tätigkeit einer gesonderten Genehmigung bedarf.
Diese grundsätzliche Struktur verknüpft nationales mit europäischem Recht. Denn Versicherungsunternehmen in Deutschland, die im Besitz einer Erlaubnis durch die BaFin sind, genießen den sogenannten Europäischen Pass gem. Art. 14 der Solvabilität II-Richtlinie (2009/138/EG). Das bedeutet, dass sie ihre Tätigkeiten auch in anderen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums anbieten dürfen, ohne in jedem Mitgliedstaat eine eigene Lizenz zu beantragen. Die TRIAS Versicherung AG profitiert nun also von einem erweiterten Tätigkeitsfeld ohne zusätzliche nationale Genehmigungsverfahren.
Erweiterung im Sach- und Haftpflichtbereich – ein strategischer Schritt
Die neuen Versicherungssparten beinhalten einen weiten Risikohorizont. Insbesondere der Bereich der allgemeinen Haftpflichtversicherung (§ 13 der Anlage 1 zum VAG) ist von hoher Relevanz in einer zunehmend klagefreudigen Gesellschaft. Unternehmen müssen sich gegen zivilrechtliche Ansprüche absichern – sei es aus Produkthaftung, Verkehrssicherungspflichten oder Vertragsverletzungen.
Ebenso bedeutsam ist die Sparte „verschiedene finanzielle Verluste“ mit dem Unterpunkt „nichtkommerzielle Geldverluste“. Diese Kategorie ist in Fachkreisen oft als „restliche Vermögensschadenversicherung“ bekannt. Für Juristen ist zentral, dass in dieser Sparte individuelle und institutionelle Systeme zur Kontrolle und Corporate Governance erforderlich sind, um versicherungsaufsichtsrechtliche Pflichten zu erfüllen.
„Was auf den ersten Blick wie ein betriebswirtschaftlicher Zuwachs wirkt, ist auf tieferer Ebene als regulatorische Herausforderung zu verstehen“, kommentiert Dr. Schulte. Damit spricht der Jurist einen zentralen Punkt an: Die Verantwortung wächst mit der Tätigkeit.
Aufsichtliches Zusammenspiel mit der EU – harmonisiertes Versicherungsrecht
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt dieser Entscheidung ist ihre internationale Dimension. Die Verfügung der BaFin ist nicht auf Deutschland begrenzt, sondern umfasst die gesamte europäische Rechtsgemeinschaft. Dies ist nur möglich, weil innerhalb der Europäischen Union ein weitgehend harmonisiertes Versicherungsaufsichtsrecht existiert. Die Solvabilität II-Richtlinie, welche durch das VAG in nationales Recht umgesetzt wurde, schafft die rechtliche Infrastruktur für diese grenzüberschreitende Tätigkeit.
Der EWR umfasst neben den EU-Mitgliedstaaten auch Island, Liechtenstein und Norwegen. Für Versicherungsunternehmen bedeutet dies die Möglichkeit, Produkte im Rahmen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit anzubieten. Daraus resultieren neue Geschäftsmodelle, aber auch neue Verpflichtungen. Denn jedes Tätigwerden im Ausland zieht ein Mitteilungserfordernis an die jeweilige Aufsichtsbehörde nach sich.
Was bedeutet das für den Verbraucher?
Für Versicherungsnehmer in Deutschland und europaweit bedeutet die Erweiterung des Portfolios von TRIAS Versicherung AG eine größere Auswahl an Versicherungsprodukten. Insbesondere in Zeiten zunehmender Unwetterkatastrophen kommt der Sparte der Elementarschadenversicherung besondere Relevanz zu. Die Versicherungswirtschaft steht hier in der Pflicht, adäquate Produkte anzubieten – transparent, fair und rechtssicher.
Die durch den Klimawandel verursachten Risiken stellen auch die Rechtsordnung vor neue Herausforderungen. Versicherungsverträge bedürfen einer klaren Regelung von Ausschlüssen, Selbstbeteiligungen und Rückversicherungsmechanismen. Dabei ist die juristische Präzision in der Vertragsgestaltung unerlässlich. Fehlerhafte Klauseln oder intransparente Bedingungen können zu Leistungsverweigerungen führen, was sich wiederum in Rechtsstreitigkeiten niederschlägt.
Verantwortung der Geschäftsleitung: Fit & Proper-Prinzip
Mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit wird auch die Verantwortung der Unternehmensleitung größer. Das VAG schreibt in § 24 Abs. 1 vor, dass Geschäftsleiter zuverlässig und fachlich geeignet („fit and proper“) sein müssen und ihre Eignung gegenüber der BaFin nachweisen müssen. Diese Voraussetzung wird durch die neue Sparte nicht aufgehoben, sondern weiter konkretisiert. Verstöße gegen diese Grundsatzanforderungen können schnell verwaltungsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Dr. Schulte bemerkt hierzu: „Der Begriff der aufsichtsrechtlichen Zuverlässigkeit ist nicht nur formaler Natur, sondern zeigt sich in der täglichen Leitungspraxis. Gerade bei der internationalen Expansion darf Qualität nicht der Schnelligkeit geopfert werden.“
Ein Fazit mit Blick nach Europa
Rechtlich gesehen ist die BaFin-Entscheidung ein Paradebeispiel für die Funktionsweise des europäischen Versicherungsrechts. Nationale Behörden bleiben die entscheidenden Akteure, sind jedoch eingebettet in ein unionsrechtliches Gesamtsystem. Die TRIAS Versicherung AG hat sich mit dieser Entscheidung strategisch, aufsichtsrechtlich korrekt und zukunftsorientiert aufgestellt.
Die Erlaubnis ist zu begrüßen, da sie zeigt, dass der deutsche Regulierungsrahmen leistungsfähig ist. Gleichzeitig verlangt sie aber auch Maß, Kontrolle und juristische Exzellenz in der Umsetzung. Die Einhaltung von Verbraucherschutz-, Datenschutz- und Aufsichtspflichten bleibt der zentrale Prüfstein jeder Erweiterung.
„Die Komplexität nimmt zu – juristische Begleitung wird unerlässlich,“ mahnt Dr. Schulte abschließend. In einer immer komplexeren Welt bedarf es juristisch klarer Strukturen und einer ständigen Kontrolle der Legitimität wirtschaftlicher Entscheidungen.