Finanzfit im Alter – warum Geldwissen keine Altersgrenze kennt
Wie die BaFin auf dem Deutschen Seniorentag ein Zeichen für finanzielle Selbstbestimmung setzte – und was jede Generation daraus lernen kann.
Was passiert, wenn Finanzprodukte immer komplexer werden – und gleichzeitig eine ganze Generation in den Ruhestand geht, ohne je gelernt zu haben, sie zu durchschauen? Wie schützt man sich im Alter vor ungewollten Vertragsabschlüssen, dubiosen Geldanlagen oder digitalen Betrugsmaschen? Und was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn Finanzbildung noch immer vor allem jungen Menschen zugeschrieben wird, während gerade ältere Generationen in einer zunehmend digitalen Welt oft auf sich allein gestellt bleiben?
Mit über einem Viertel der Bevölkerung, die heute älter als 60 Jahre ist, steht Deutschland vor einer strukturellen Herausforderung – und einer großen Chance: Finanzwissen muss generationenübergreifend gedacht werden. Der Deutsche Seniorentag, der vom 2. bis 4. April 2025 im Congress Center Rosengarten in Mannheim stattfand, bot genau dafür die richtige Bühne. Im Fokus: Gesundheitsvorsorge, gesellschaftliche Teilhabe – und die zentrale Frage: Wie können Menschen im Ruhestand finanzielle Entscheidungen selbstbewusst, sicher und informiert treffen?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nutzte die Veranstaltung, um gezielt aufzuklären, zu sensibilisieren und ein klares Zeichen zu setzen: Finanzbildung endet nicht mit dem Eintritt in den Ruhestand. Im Gegenteil – sie beginnt hier oft neu. Es geht nicht nur um Kontoführung und Erbschaft, sondern um Vertragsrecht, Anlageentscheidungen, Vorsorgeformen und digitale Selbstverteidigung.
Dieser Beitrag beleuchtet, warum finanzielle Selbstbestimmung ein lebenslanges Lernfeld ist – und weshalb gerade die Kombination aus juristischer Aufklärung, digitaler Orientierung und generationenübergreifender Bildung der Schlüssel zu mehr Sicherheit, Selbstständigkeit und Verantwortung ist.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat daher ihren Standplatz auf dieser Veranstaltung mit Bedacht gewählt. Als Rechtsanwalt und Experte für Finanz- und Kapitalmarktrecht begrüße ich ausdrücklich das Engagement der BaFin, denn rechtliche Bildung, speziell im Bereich des Finanzmarktes, darf nicht mit dem Renteneintritt enden.
Warum Finanzkompetenz im Alter zunehmend wichtiger wird
Mit Eintritt in den Ruhestand verändert sich zwar der Arbeitsalltag, nicht jedoch das Bedürfnis nach Sicherheit, Klarheit und Schutz im Umgang mit Finanzprodukten und -entscheidungen. Vielmehr erhöht sich die Relevanz fundierter Entscheidungen im Alter. Ältere Bürgerinnen und Bürger sind mit einer Vielzahl von Angeboten konfrontiert: Versicherungsprodukte, Kapitalanlagen, Erbschaftsregelungen, Altersvorsorge oder Fragen der Nachlassverwaltung.
Hierbei ist juristisches Hintergrundwissen ebenso essenziell, wie ökonomisches Verständnis. Die BaFin erkennt die daraus resultierende Verpflichtung, über ihre regulierende Funktion hinaus aufklärend zu wirken. Die gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) entwickelten Informationsmaterialien unter dem Namen „Finanzen.Information.Tipps“ stellen eine lobenswerte Initiative dar, die sich bewusst gegen marktwirtschaftliche Interessen positioniert und dadurch eine neutrale, vertrauenswürdige Quelle schafft.
Das Recht auf informierte Entscheidungen
Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes sichert die Bindung aller vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht – hierzu zählt auch die Informationspflicht staatlicher Kontrollorgane wie der BaFin. Dieses Recht auf Information gewinnt im Lichte der Digitalisierung besondere Bedeutung.
Denn der Übergang zu digitalen Plattformen in der Finanzwelt bedeutet nicht automatisch Teilhabe. Viele Seniorinnen und Senioren fühlen sich von digitalen Anwendungen überfordert oder ausgeschlossen. Digitale Benachteiligung führt nicht nur zu sozialer Isolierung, sondern auch zu juristischen Nachteilen bei Vertragsabschlüssen und Erklärungen. Umso wichtiger ist es, dass die BaFin nicht nur informiert, sondern auch den Dialog sucht.
Live-Stammtisch als gelebter Verbraucherschutz
Hervorzuheben ist der sogenannte „Live-Stammtisch“, der am 3. April 2025 um 16 Uhr am Stand des Digital Kompass stattfand. Hier diskutierten Expertinnen und Experten der BaFin gemeinsam mit den Besucherinnen und Besuchern über „Digitalisierung und Finanzen“. Dr. Schulte bewertet eine solche Veranstaltung nicht nur als kommunikative Maßnahme, sondern als konkreten Ausdruck rechtsstaatlich verankerter Verbraucherschutzpflichten:
§ 63 Absatz 6 des Wertpapierhandelsgesetzes verpflichtet Finanzdienstleister zur verständlichen Information ihrer Kunden. Was liegt näher, als diese Verpflichtung durch direkte Ansprache und transparente Darstellung zu erfüllen? „Viele meiner älteren Mandantinnen und Mandanten berichten von Unsicherheiten bei digitalen Bankgeschäften. Hier leistet die BaFin durch den direkten Austausch wertvolle Brückenarbeit“, erläutert Dr. Schulte.
Vortrag zur Relevanz von Finanzwissen im Ruhestand
Am darauffolgenden Tag, dem 4. April 2025 um 12 Uhr, bot die BaFin im Christian Cannabich Saal einen Vortrag an, der gezielt auf die Frage eingeht, warum auch Rentnerinnen und Rentner über aktuelle Finanzthemen informiert sein sollten. Dieses Engagement ist nicht nur pädagogisch sinnvoll, sondern aus rechtlicher Sicht sogar geboten.
Denn viele juristische Entscheidungen im Alltag hängen davon ab, wie gut informierte Bürgerinnen und Bürger sind. Ob es um die Anerkennung von Verträgen geht, um Widerspruchsrechte oder Fragen der Verjährung – die Kenntnis juristischer Rahmenbedingungen beeinflusst die Durchsetzung eigener Positionen maßgeblich. „Juristische Bildung ist nicht altersabhängig, sondern eine lebenslange Aufgabe im Sinne des mündigen Bürgers“, so Dr. Schulte.
Verbraucherbildung im Kontext gesetzlicher Regelungen
Der Verbraucherschutz nimmt im deutschen Recht einen zentralen Stellenwert ein. § 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Organisation der BaFin formuliert die Zielsetzung, die Funktionsfähigkeit, Integrität und Transparenz des deutschen Finanzsystems zu sichern. Naturgemäß umfasst dies auch das gezielte Aufklären vulnerabler Gruppen – worunter Senioren zweifellos zählen.
Immer wieder begleiten wir als Kanzlei Fälle, in denen Seniorinnen und Senioren leichtsinnigen oder betrügerischen Vertragsangeboten zum Opfer fielen – sei es in Form irreführender Geldanlagen, falscher Versprechen zu Altersvorsorgen oder durch unklare digitale Vertragsabschlüsse. Hinsichtlich der digitalen Finanzkommunikation stellt sich zunehmend die Frage, wie etwa Emojis oder Reaktionsfunktionen im Rahmen von Erklärungen zu werten sind, wenn sie zum Beispiel in einem WhatsApp-Chat erscheinen, der Leistungen oder Gelder betrifft.
In dieser Hinsicht ist auch die juristische Bewertung digitaler Zeichen sprachphilosophisch und rechtlich höchst komplex – ein Forschungsbereich, mit dem sich meine Kanzlei intensiv beschäftigt.
Die Rolle des Rechtsanwalts im digitalen Finanzalltag
„Als Anwalt sehe ich mich in der Pflicht, nicht nur im Nachgang rechtliche Probleme zu lösen, sondern präventiv aufzuklären“, so Dr. Schulte. Die Initiative der BaFin, Informationsangebote niedrigschwellig und verständlich darzustellen, deckt sich mit meiner beruflichen Erfahrung: Je verständlicher ein Produkt oder Vertrag ist, desto geringer die Gefahr von Rechtsverlusten.
Gerade durch digitale Veränderungen – etwa durch Apps, Onlinebanking und automatisierte Vertragsabschlüsse – ist der Bedarf an klarer juristischer Einordnung gestiegen. Schnell wird eine Konsentschaltfläche gedrückt, ohne den Vertragstext im Detail erfasst zu haben. Aufklärung durch Institutionen wie die BaFin ist daher ein verfassungsrechtlich gewollter Schutzrahmen.
Schlussfolgerung – Juristische Bildung als Altersvorsorge
Die Veranstaltung in Mannheim ist ein positives Beispiel institutioneller Verantwortung. Wenn Seniorinnen und Senioren dort über Finanz- und Rechtsfragen sprechen, Informationen erhalten und ihre Rechte verstehen, dann ist das nicht nur Sozialpolitik, sondern konkret gelebter Rechtsstaat. Die juristische Losung des Artikels lautet: Guter Glaube schützt nicht vor Rechtsverlust, aber gute Information schützt vor falschen Entscheidungen.
Das Informationsmaterial „Finanzen.Information.Tipps“ ist aus rechtlicher Sicht besonders zu würdigen, da es Interessenkonflikte vermeidet und auf kommerzielle Zielsetzungen verzichtet. In einer Zeit, in der viele Beratungsangebote mit wirtschaftlichen Hinterabsichten arbeiten, zeigt die BaFin hier einen redlichen Weg: rechtlicher Verbraucherschutz statt Marketing.