Global Signal Exchange: eine neue Ära im Kampf gegen Online-Betrug?

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Dr. Thomas Schulte

Dr. Thomas Schulte ist Rechtsanwalt und Fachautor aus Berlin. Seit 1995 ist die Kanzlei erfolgreich zivilrechtlich schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Internets-, Reputations- und Wettbewerbsrecht tätig. Ich vertrete bundesweit die Interessen einzelner Anleger und arbeite zumeist via Email, Telefon oder Videomeeting für meine Mandanten. Der gute Ruf – Reputationsrecht und Beratung im Internet ist ein Arbeitsschwerpunkt.

Berlin, Herbst 2024. Große Internetplayer tun sich zusammen, um gegen Internetbetrug vorzugehen.  Die Menschen haben häufig vor Einbrüchen oder Überfällen Angst. Die großen finanziellen Schäden für Familien oder Firmen entstehen aber anderweitig. Der Feind kommt über das Internet. Online-Betrug gehört zu den am schnellsten wachsenden Verbrechen weltweit, und jährlich entstehen Verluste in Milliardenhöhe. Die Global Signal Exchange (GSE) setzt hier an. Drei mächtige Akteure, Google, die Global Anti-Scam Alliance (GASA) und die DNS Research Federation (DNSRF), haben sich zusammengeschlossen, um der Flut von Betrugsversuchen durch gezielten Datenaustausch den Kampf anzusagen. Leider intransparent und ohne wirksame rechtliche bzw. staatliche Kontrolle. 

Warum brauchen wir eine globale Lösung?

Die Bedrohung durch Online-Betrug hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Wie stark die Entwicklung ist, zeigt ein Bericht von GASA, der enthüllt, dass über 75 % der Verbraucher weltweit bereits Opfer von Betrügereien geworden sind. Dies hat einen enormen wirtschaftlichen Schaden zur Folge: Rund eine Billion Dollar geht jährlich durch betrügerische Aktivitäten verloren. Auch die sozialen und psychologischen Folgen sind verheerend, denn der Verlust von Vertrauen in digitale Plattformen betrifft jeden von uns.

Ein klassisches Beispiel: Herr M., ein Rentner aus Hamburg, wurde Opfer eines vermeintlichen Telefonanrufs von seiner Bank. Der Anrufer gab sich als Sicherheitsbeauftragter aus und warnte vor angeblich unautorisierten Transaktionen. Er forderte Herr M. auf, sensible Daten zu bestätigen. Kurze Zeit später waren seine Ersparnisse verschwunden. Solche Betrügereien sind leider keine Seltenheit mehr und erfordern dringend koordinierte Maßnahmen, die über nationale Grenzen hinausgehen.

Wie funktioniert die Global Signal Exchange?

Im Zentrum der GSE steht die DAP.live-Plattform der DNS Research Federation. Diese Plattform ist so konzipiert, dass sie Daten über Betrugsversuche in Echtzeit sammelt und auswertet. Aktuell verarbeitet sie über 43,5 Millionen Betrugsberichte und wird von 250 akkreditierten Nutzern weltweit genutzt. Google bringt hier seine Expertise im Bereich der Cloud-Technologie ein, indem es die Plattform auf seiner Google Cloud betreibt.

Eine der Stärken von GSE liegt in ihrer Skalierbarkeit und der Möglichkeit, Betrugssignale von verschiedenen Teilnehmern zu empfangen und zu teilen. Dabei kommen fortschrittliche KI-Technologien zum Einsatz, die Betrugsmuster in Echtzeit erkennen und Daten mit anderen Akteuren weltweit austauschen. Google selbst hat bereits über 100.000 betrügerische Webseiten und über eine Million Betrugssignale in das System eingespeist. Ein klarer Vorteil, da Google als eines der größten Unternehmen im Tech-Bereich immense Datenmengen verarbeiten und analysieren kann.

Stellen Sie sich die GSE wie ein internationales Sicherheitsnetz vor, das Tag und Nacht die Aktivitäten im Internet überwacht und alarmiert, sobald verdächtige Aktivitäten auftauchen. Wenn eine zwielichtige Webseite oder ein betrügerischer Händler erkannt wird, können andere Organisationen weltweit darauf zugreifen und potenzielle Opfer rechtzeitig warnen.

Ein Schritt in Richtung mehr Transparenz

Eines der Hauptziele der Global Signal Exchange ist es, Transparenz im Kampf gegen Betrug zu schaffen. In der Theorie klingt das ideal: Eine Plattform, die Daten zentralisiert und für berechtigte Organisationen weltweit zugänglich macht. Doch wie transparent das System wirklich ist, wird sich erst in der Praxis zeigen. Der Zugang zur GSE ist aktuell für qualifizierte Organisationen wie Strafverfolgungsbehörden und bestimmte Unternehmen offen, die in der Lage sind, die bereitgestellten Daten sinnvoll zu nutzen.

Ein wesentlicher Punkt wird in Zukunft auch sein, wie gut die Plattform für kleinere Unternehmen und nicht staatliche Organisationen zugänglich gemacht wird. Diese sind häufig nicht in der Lage, in großem Umfang auf teure Technologien zuzugreifen, könnten jedoch ebenfalls von den Informationen profitieren.

Internationale Kooperation als Schlüssel

Online-Betrug macht nicht an Landesgrenzen Halt, und auch die Maßnahmen dagegen sollten es nicht tun. Die Global Signal Exchange setzt genau hier an. Nationale und internationale Behörden sowie private Unternehmen können ihre Kräfte bündeln, um eine koordinierte Antwort auf die Bedrohung zu geben. Auch wenn Deutschland, namentlich die deutsche Polizei, nicht explizit als Partner aufgeführt ist, ist bekannt, dass sie regelmäßig an internationalen Aktionen gegen Cyberkriminalität teilnimmt. Gerade deutsche Behörden haben in den letzten Jahren vermehrt auf Kooperationen gesetzt, um grenzübergreifende Kriminalität zu bekämpfen.

Ziele und Ambitionen

Das Hauptziel der Global Signal Exchange ist es, Online-Betrug weltweit drastisch zu reduzieren – und zwar um 50 % innerhalb der nächsten zehn Jahre. Dies ist zweifellos ein ehrgeiziges Ziel, aber eines, das durchaus erreichbar scheint, wenn man die Größe und Stärke der beteiligten Partner bedenkt. Der Erfolg der Initiative wird stark davon abhängen, wie gut die Teilnehmer zusammenarbeiten und wie schnell sie auf neue Bedrohungen reagieren können.

Ein Paradebeispiel für internationale Zusammenarbeit in der Vergangenheit war die Europol-Operation „EMMA 7“, die im Jahr 2022 stattfand und die größten Phishing-Netzwerke in Europa lahmlegte. Durch den schnellen Austausch von Informationen konnten Cyberkriminelle in mehreren Ländern festgenommen werden. Die Global Signal Exchange könnte ähnliche, noch weitreichendere Erfolge ermöglichen.

Fazit

Die Gründung der Global Signal Exchange ist ein großer Schritt im Kampf gegen den weltweiten Online-Betrug. Mit Google, GASA und DNSRF haben sich drei bedeutende Organisationen zusammengeschlossen, um Betrüger zu identifizieren, Netzwerke aufzudecken und betroffene Verbraucher und Unternehmen zu schützen. Natürlich bleibt abzuwarten, wie erfolgreich diese Zusammenarbeit in der Praxis sein wird, doch das Potenzial ist enorm. Angesichts der globalen Dimension der Bedrohung könnte die GSE ein entscheidendes Werkzeug im digitalen Zeitalter werden, um das Internet sicherer zu machen.

Die Zeit drängt, denn die Täter werden immer raffinierter. Aber mit Initiativen wie der GSE stehen die Chancen gut, dass wir ihnen einen Schritt voraus bleiben.

Fehlende rechtliche Überwachung und mangelnde Transparenz

So vielversprechend die Global Signal Exchange auch klingt, bleibt ein wesentlicher Kritikpunkt bestehen: Das System wird bisher nicht ausreichend rechtlich überwacht. Zwar ist die GSE auf den Austausch von Betrugssignalen und deren Auswertung spezialisiert, doch die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit den gesammelten Daten sind bislang nicht klar definiert. Wer überwacht, wie die Daten verwendet werden? Wer entscheidet, welche Organisationen Zugang zu den sensiblen Informationen erhalten? Diese Fragen bleiben unbeantwortet.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Transparenz in Bezug auf die Funktionsweise und Entscheidungsprozesse der Plattform. Zwar wird betont, dass die GSE für qualifizierte Organisationen zugänglich ist, doch wie genau diese Qualifizierung erfolgt und welche Kriterien erfüllt werden müssen, um Zugang zu erhalten, bleibt vage. Dies wirft die Frage auf, ob nicht nur berechtigte Teilnehmer, sondern auch kommerzielle Akteure oder gar Staaten die Möglichkeit haben könnten, das System für andere Zwecke zu missbrauchen.

Kritiker befürchten zudem, dass durch die zentrale Rolle von Google und die Integration in die Google Cloud-Plattform eine erhebliche Machtkonzentration bei einem Unternehmen entsteht, das bereits in der Vergangenheit wegen Datenschutzverletzungen in die Kritik geraten ist. Zwar wird von den Gründern der GSE immer wieder die Bedeutung des Datenschutzes betont, doch ohne unabhängige rechtliche Kontrolle bleibt fraglich, wie genau diese Versprechen in der Praxis eingehalten werden. Hier besteht das Risiko, dass personenbezogene Daten ohne ausreichende Kontrolle verwendet oder weitergegeben werden könnten.

Für Unternehmen und Organisationen, die sich an der GSE beteiligen wollen, stellt dies ein Dilemma dar: Einerseits bietet die Plattform enorme Chancen, Betrügereien schneller und effizienter zu bekämpfen. Andererseits bleiben Unsicherheiten darüber, wie ihre eigenen Daten gehandhabt werden und welche Konsequenzen dies langfristig haben könnte. Es bleibt daher entscheidend, dass in Zukunft eine unabhängige rechtliche Instanz die Überwachung des Systems übernimmt, um Missbrauch zu verhindern und das Vertrauen in die GSE zu stärken.

Bis dahin bleibt die Global Signal Exchange ein zweischneidiges Schwert: einerseits ein potenziell mächtiges Instrument im Kampf gegen den Online-Betrug, andererseits ein System, das in seiner aktuellen Form nicht vollständig transparent arbeitet und sich einer ausreichenden rechtlichen Kontrolle entzieht.

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