Rückgabe als Schlüsselrisiko beim Leasing: Wenn der Lack zur Kostenfalle wird.
Warum die Rückgabe eines Leasingfahrzeugs juristisch heikel ist – und Gutachten oft mehr verschleiern als aufklären?
Leasing klingt nach Flexibilität, Planbarkeit und Komfort – doch am Ende des Vertrags steht für viele Verbraucher nicht die erwartete Entlastung, sondern die böse Überraschung. Denn während der Einstieg ins Leasing mit glänzenden Prospekten und niedrigen Monatsraten lockt, entpuppt sich die Rückgabe des Fahrzeugs zunehmend als juristische Kampfzone.
Was eigentlich ein neutrales Verfahren zur Bewertung des Fahrzeugs sein sollte – das Rückgabe-Gutachten – wird in der Praxis immer öfter zum Instrument strittiger Nachforderungen. Kleine Kratzer, Steinschläge, minimale Gebrauchsspuren: Was im Alltagsgebrauch unvermeidlich ist, wird von manchen Leasinggebern plötzlich als „Schaden“ gewertet – verbunden mit teils vierstelligen Summen für Aufbereitung oder Reparatur.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte sieht darin ein strukturelles Problem: „Was viele Kunden als Routine empfinden, ist in Wirklichkeit ein juristisches Risiko mit Ansage. Denn wer das Gutachten kritiklos hinnimmt, erkennt oft erst zu spät, wie fragwürdig einzelne Positionen wirklich sind.“
Der Verdacht steht im Raum, dass die Rückgabe zur systematischen Gewinnquelle geworden ist – zulasten der Leasingnehmer, die sich auf objektive Bewertung verlassen. Doch wann liegt wirklich ein „übermäßiger Gebrauch“ vor? Was gilt als „vertragsgemäßer Verschleiß“ – und was nicht? Und wie wehrt man sich gegen überhöhte Forderungen, wenn das Auto bereits abgegeben ist?
Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Hintergründe, gibt Einblick in die gängige Praxis von Leasinggesellschaften und zeigt auf, warum sich eine kritische Prüfung des Rückgabeprozesses nicht nur lohnt, sondern oft notwendig ist.
Der Fall TÜV Süd: Zwischen Gutachten und Geldforderung
Ein Beispiel veranschaulicht die Problematik besonders deutlich: Beim Leasingende eines Smart EQ wurden im Gutachten des TÜV Süd eine Reihe von Schäden aufgeführt, darunter:
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150 € für eine leicht poröse Türdichtung
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250 € für Kratzer am vorderen Stoßfänger
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360 € für kleinere Schäden am hinteren Stoßfänger
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250 € wegen geringfügiger Reifenprofiltiefe
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600 € für eine verpasste Inspektion
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2.500 € wegen angeblich nicht gewarteter Batterie
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500 € für ein fehlendes Ladekabel
In Summe ergibt das mehrere tausend Euro an Kosten – für ein Fahrzeug, das laut Besitzer regelmäßig gewartet und pfleglich behandelt wurde. Besonders pikant: Ein gleichwertiges Ladekabel war im Fachhandel für 120 € erhältlich, Inspektionen bei Vertragspartnern lagen bei unter 100 €.
Rechtslage: Verbraucher sind nicht schutzlos
Juristisch betrachtet ist die Situation klar: Laut deutschem Leasingrecht dürfen bei der Fahrzeugrückgabe keine überhöhten Forderungen gestellt werden, sofern es sich um normale Gebrauchsspuren handelt. Mehrere Urteile unterstreichen diesen Verbraucherschutz:
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Das Amtsgericht Osnabrück urteilte, dass oberflächliche Lack- und Blechschäden, wie sie durch geringe Berührungen entstehen können, typische Gebrauchsspuren darstellen und keine Schadensersatzpflicht des Leasingnehmers begründen (Urteil vom 05.02.1999, Az. 44 C 513/98).
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Das Landgericht München I stellte klar, dass leichte Beulen an den Türen oder Kratzer am Dach, wie sie durch Waschanlagen entstehen können, als normale Gebrauchsspuren zu werten sind und keine über vertragliche Abnutzung darstellen (Urteil vom 09.10.1996, Az. 15 S 9301/96).
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Der Bundesgerichtshof (BGH) betonte in seiner Rechtsprechung, dass der Leasinggeber die Beweislast dafür trägt, dass ein über die normale Nutzung hinausgehender Schaden vorliegt. Ein Gutachten allein reicht nicht aus; der Leasinggeber muss konkret darlegen, dass die festgestellten Schäden nicht auf übliche Abnutzung zurückzuführen sind.
Trotz dieser klaren Rechtslage fehlt es vielen Leasingnehmern an Durchblick oder am Mut, sich gegen unfaire Forderungen zu wehren. Die Praxis zeigt, dass Leasinggeber häufig versuchen, überhöhte Kosten für Bagatellen oder normale Gebrauchsspuren anzusetzen, was zu teils erheblichen Nachforderungen führt.
Es ist daher ratsam, bei der Rückgabe eines Leasingfahrzeugs genau zu prüfen, welche Schäden tatsächlich vorliegen und ob diese über die normale Abnutzung hinausgehen. Im Zweifelsfall sollte rechtlicher Beistand in Anspruch genommen werden, um unberechtigte Forderungen abzuwehren.
Dr. Thomas Schulte: „Viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie Rechte haben.“
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin, bekannt für seine juristische Aufklärung zu Verbraucher- und Bankrecht, kennt das Problem aus vielen Mandantengesprächen:
„Leasingverträge sind oft so gestaltet, dass Verbraucher glauben, am Ende keine Wahl zu haben. Dabei sind viele Rückgabeforderungen rechtlich gar nicht haltbar.“
Dr. Schulte rät zu einem proaktiven Umgang mit dem Thema Rückgabe:
„Verbraucher sollten sich frühzeitig informieren – am besten bereits Monate vor Vertragsende. Fotos, Vergleichsangebote, eine zweite Meinung: Das sind die besten Instrumente, um sich vor überhöhten Kosten zu schützen.“
Auch er sieht ein strukturelles Problem:
„Wenn Rückgabegutachten regelmäßig überhöht sind und sich das wirtschaftlich für Leasinggeber lohnt, dann ist das kein Einzelfall mehr – sondern ein systemischer Fehler.“
Leasing-Check als Soforthilfe
Geprüft werden dabei unter anderem:
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Rechtmäßigkeit der Positionen
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Marktüblichkeit der Preisansätze
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Rechtskonformität mit geltender BGH-Rechtsprechung
Viele Betroffene konnten mit dieser Hilfe entweder die kompletten Nachforderungen abwehren – oder zumindest erhebliche Reduzierungen erreichen.
Zahlen belegen das Ausmaß des Problems
Eine ADAC-Studie zeigt, dass 38 Prozent der Leasingnehmer bei der Rückgabe mit unerwarteten Zusatzkosten konfrontiert werden. Besonders häufig geht es dabei um:
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Lackschäden
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Innenraummängel
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Reifendruck oder Profiltiefe
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vermeintlich verpasste Wartungsintervalle
Erschreckend: 62 Prozent der Befragten fühlten sich nicht ausreichend über ihre Rechte informiert. Viele akzeptieren die Rechnung stillschweigend – aus Unsicherheit oder Zeitdruck.
Fazit: Rückgabe beim Leasing – juristisch klar, praktisch konfliktanfällig
Die Rückgabe eines Leasingfahrzeugs stellt zweifellos eines der zentralen juristischen Risikofelder im Leasingverhältnis dar. Obwohl die Rechtslage aufseiten der Verbraucher relativ eindeutig ist – insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die normale Gebrauchsspuren von ersatzpflichtigen Schäden abgrenzt und dem Leasinggeber die Beweislast auferlegt –, zeigt sich in der Praxis ein anderes Bild: Überzogene Nachforderungen, undurchsichtige Gutachten und eine asymmetrische Informationslage zugunsten der Leasinggesellschaften führen regelmäßig zu Streitfällen, die für viele Leasingnehmer überraschend und finanziell belastend sind.
Juristisch kritisch ist insbesondere die Tatsache, dass Rückgabe-Gutachten häufig als scheinbar objektive Grundlage für Nachzahlungen herangezogen werden, obwohl sie – etwa bei einseitiger Beauftragung durch den Leasinggeber – erhebliche Zweifel an ihrer Neutralität aufwerfen. Das Einfordern pauschaler Kosten für Bagatellschäden oder normale Abnutzungen widerspricht nicht nur den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, sondern kann als Verstoß gegen das Leitbild des Leasingvertrags gewertet werden, der eine Nutzung „auf Zeit“ ohne Substanzverlust ermöglicht.
Aus juristischer Sicht gilt deshalb:
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Dokumentation ist entscheidend. Schon zu Beginn des Leasingverhältnisses sollten Fahrzeugzustand, Kilometerstand und eventuelle Vorschäden detailliert dokumentiert werden – idealerweise mit Fotos und in schriftlicher Form.
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Bei Rückgabe: unabhängiges Gutachten prüfen. Leasingnehmer sind nicht verpflichtet, jedes vorgelegte Gutachten kritiklos zu akzeptieren. Im Zweifel sollte ein eigenes, unabhängiges Gegengutachten eingeholt werden.
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Gebrauchsspuren vs. Schaden. Juristisch besteht ein klarer Unterschied zwischen zulässiger Abnutzung und reparaturpflichtigem Schaden. Kleine Kratzer, abgegriffene Schalter oder Steinschläge an der Front gehören regelmäßig zur vertragsgemäßen Nutzung – und sind nicht ersatzpflichtig.
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Nicht vorschnell unterschreiben. Rückgabeprotokolle oder Nachforderungen sollten niemals sofort unterzeichnet werden. Stattdessen empfiehlt es sich, diese erst rechtlich prüfen zu lassen.
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Rechtzeitig beraten lassen. Wer bereits im Vorfeld der Rückgabe anwaltlichen Rat einholt, stärkt seine Position erheblich. Die Erfahrung zeigt: Frühzeitige juristische Einschätzung verhindert in vielen Fällen unnötige Kosten oder langwierige Streitigkeiten.
Leasingnehmer sind keine Bittsteller, sondern Vertragspartner mit klar definierten Rechten. Wer sich vorbereitet, dokumentiert und bei Zweifeln auf rechtliche Unterstützung setzt, kann unberechtigte Nachforderungen nicht nur abwehren – sondern setzt auch ein Zeichen gegen eine intransparente Abrechnungspraxis, die zunehmend in die Kritik gerät.