Mangelhaftes Fahrzeug gekauft: Was ist zu tun?

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Valentin Schulte

Als Mitgründer von ABOWI LAW und einem Master in Volkswirtschaft, sowie als Jurastudent, besitzt er ein tiefes Verständnis für ökonomische Zusammenhänge und rechtliche Fragestellungen. Seine vielseitige akademische Ausbildung ermöglicht es ihm, fundierte, strategische Beratungen anzubieten und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Hineinsetzen, losfahren und freuen. Nicht immer. Der Kauf eines mangelhaften Fahrzeugs ist eine Enttäuschung und meist mit erheblichem Ärger und Kosten verbunden. Glücklicherweise bietet das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) klare Regelungen, die die Rechte des Käufers schützen, besonders in den §§ 434 ff., die sich mit Sachmängeln beschäftigen. Wenn ein Fahrzeug Mängel aufweist, stehen dem Käufer verschiedene Ansprüche zu, wie Nacherfüllung, Minderung des Kaufpreises, Rücktritt oder Schadensersatz. Doch wie lässt sich die Mangelhaftigkeit nachweisen, und welche Schritte sollte man gehen?

Was ist ein Sachmangel?

Ein Sachmangel liegt vor, wenn das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder nicht für die vertraglich vorgesehene Nutzung geeignet ist (§ 434 BGB). Dies umfasst sowohl technische Defekte als auch äußere Schäden und fehlende Ausstattungen. 

Beispiel 1: Markus Weniger aus Hamburg kauft einen Jahreswagen (VW Golf) mit geringer Laufleistung. Nach wenigen Tagen bemerkt er, dass das Getriebe Öl verliert – ein offensichtlicher technischer Defekt. In diesem Fall ist das Fahrzeug mangelhaft, da ein intaktes Getriebe zur üblichen Beschaffenheit gehört.

So hat auch der Bundesgerichtshof entschieden: „Ein Gebrauchtwagen weist einen Sachmangel auf, wenn er zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.“ (BGH, Urteil vom 15.01.2020  VIII ZR 234/18).

Beispiel 2: Sarah Liebmann aus München kauft einen gebrauchten Audi A4 und entdeckt nachträglich erhebliche Lackschäden an den Türen und dem Kofferraum, die bei der Übergabe unentdeckt blieben. Solche Schäden können einen Sachmangel darstellen, wenn das Fahrzeug äußerlich nicht den üblichen Standards für Fahrzeuge dieses Alters entspricht.

 Auch hierzu hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden: „Erhebliche Lackschäden, die bei der Besichtigung des Fahrzeugs nicht erkennbar waren, können einen Sachmangel darstellen, wenn sie den Gesamteindruck des Fahrzeugs beeinträchtigen und nicht dem Alter und Preis des Fahrzeugs entsprechen.“ (OLG Hamm, Urteil vom 11.05.2017  28 U 199/16).

Ein Sachmangel kann sowohl bei Neuwagen als auch bei Gebrauchtwagen vorliegen, wenn das Fahrzeug nicht die übliche Beschaffenheit aufweist, die Käufer erwarten dürfen.

Rechte des Käufers bei Mängeln

Hat der Käufer einen Mangel festgestellt, stehen ihm verschiedene Rechte zu, beginnend mit dem Recht auf Nacherfüllung (§ 439 BGB). Der Verkäufer darf wählen, ob er den Mangel repariert (Nachbesserung) oder ein mangelfreies Ersatzfahrzeug liefert. Falls die Nacherfüllung unzumutbar oder erfolglos bleibt, hat der Käufer weitergehende Rechte.

Nacherfüllung verlangen

Die Reparatur des Schadens oder die Lieferung eines Ersatzfahrzeugs stehen an erster Stelle.

Beispiel: Marlen Schmidtke aus Köln erwirbt einen gebrauchten BMW 3er, der nach einer Woche Kühlwasser verliert. Sie setzt den Händler in Kenntnis, der die Reparatur des Kühlkreislaufs anbietet. Die Nachbesserung wird durchgeführt und der Mangel behoben, wodurch der Anspruch auf Nacherfüllung erfüllt ist.

Der Bundesgerichtshof betont: „Der Käufer hat grundsätzlich das Recht, zwischen Nachbesserung und Nachlieferung zu wählen. Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung nur verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist.“ (BGH, Urteil vom 21.12.2011  VIII ZR 70/08).

Frist zur Nacherfüllung setzen

Der Käufer muss dem Verkäufer eine angemessene Frist setzen, in der die Nachbesserung zu erfolgen hat. Läuft diese Frist ohne Erfolg ab, stehen dem Käufer weitergehende Rechte zu.

Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz

Scheitert die Nachbesserung oder wird sie abgelehnt, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, eine Kaufpreisminderung verlangen oder Schadensersatz fordern.

Vom Vertrag zurücktreten: Der Käufer gibt das Fahrzeug zurück und erhält den Kaufpreis.

Minderung des Kaufpreises verlangen: Der Käufer behält das Fahrzeug und zahlt einen reduzierten Kaufpreis.

Schadensersatz fordern: Etwaige Kosten für Abschleppdienste oder Mietwagen können geltend gemacht werden, wenn der Mangel schuldhaft verursacht oder die Beseitigung verzögert wurde (§§ 280, 281 BGB).

Das Oberlandesgericht Frankfurt dazu: „Ein Rücktritt vom Kaufvertrag ist auch bei geringfügigen Mängeln möglich, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder unzumutbar ist.“ (OLG Frankfurt, Urteil vom 27.03.2019  4 U 219/18).

Wie wird die Mangelhaftigkeit bewiesen?

Grundsätzlich liegt die Beweislast beim Käufer, der nachweisen muss, dass der Mangel bereits bei der Fahrzeugübergabe bestand (§ 446 BGB). Doch Verbraucher genießen eine Erleichterung: Im Verbrauchsgüterkauf gilt eine Beweislastumkehr zugunsten des Käufers (§ 477 BGB). Zeigt sich der Mangel innerhalb eines Jahres nach der Übergabe, wird vermutet, dass der Mangel bereits bei der Übergabe vorlag.

Beispiel: Michael Langeboot aus Berlin kauft einen Gebrauchtwagen (Mercedes-Benz C-Klasse). Innerhalb von fünf Monaten treten wiederholte Zündprobleme auf. Da dies innerhalb der Beweislastumkehrfrist liegt, wird angenommen, dass der Defekt bereits bei der Übergabe vorhanden war. Der Bundesgerichtshof stellte klar: „Bei einem Verbrauchsgüterkauf wird vermutet, dass ein innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang auftretender Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Diese Vermutung gilt nicht, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.“ (BGH, Urteil vom 12.10.2016  VIII ZR 103/15).

Beweissicherung durch Gutachten

Um sicherzugehen, empfiehlt es sich, ein Gutachten von einem unabhängigen Kfz-Sachverständigen erstellen zu lassen. Dies kann privat oder durch ein gerichtliches Beweisverfahren erfolgen.

  1. Privatgutachten: Ein Kfz-Sachverständiger wird auf eigene Initiative des Käufers hinzugezogen, um den Mangel festzustellen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass solche Gutachten rechtlich relevant sind. 
  2. Selbstständiges Beweisverfahren (§ 485 ZPO): Der Zustand des Fahrzeugs und die Ursache des Mangels werden vor einem Hauptprozess gerichtlich festgestellt. Dieses Verfahren ist besonders geeignet, wenn das Fahrzeug trotz des Mangels weiter genutzt oder repariert werden soll.

Beispiel: Stefan Wilhelm Meier aus Düsseldorf entdeckt, dass die Klimaanlage seines kürzlich gekauften Opel Insignia nicht funktioniert. Ein Sachverständiger bestätigt einen werkseitigen Defekt. Mit diesem Gutachten fordert Herr Meier den Händler zur Nachbesserung auf.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellt fest: „Ein Privatgutachten kann im Prozess als Parteivortrag gewertet werden und zur Substanziierung des Klägervortrags beitragen. Es kann jedoch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht ersetzen.“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2018  I3 U 48/18).

Gewährleistungsausschluss im privaten Autokauf

Bei Privatverkäufen kann der Verkäufer die Gewährleistung ausschließen, sofern dies klar im Kaufvertrag vereinbart wurde. Ein Ausschluss gilt jedoch nicht, wenn Mängel arglistig verschwiegen wurden.

Beispiel: Thomas Klein aus Stuttgart verkauft seinen Ford Focus privat und verschweigt einen Getriebeschaden. Da dieser Defekt ihm bekannt war, bleibt der Käufer trotz Gewährleistungsausschlusses geschützt. Der Bundesgerichtshof entschied: „Ein Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag ist unwirksam, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat. Dies gilt auch dann, wenn der Käufer den Mangel bei sorgfältiger Prüfung hätte erkennen können.“ (BGH, Urteil vom 15.04.2015  VIII ZR 80/14).

 Fazit: Was tun bei einem mangelhaften Fahrzeug?

Beim Kauf eines mangelhaften Fahrzeugs sollte der Käufer alle Schritte durchgehen, um seine Rechte zu sichern:

  1. Verkäufer kontaktieren und Nacherfüllung verlangen: Es sollte zunächst ein Nachbesserungsversuch unternommen werden.
  2. Frist setzen: Der Verkäufer muss in einer angemessenen Frist die Mängel beheben.
  3. Weitere Schritte bei Misserfolg: Bleibt die Nacherfüllung erfolglos, kann der Käufer den Rücktritt erklären, die Minderung des Kaufpreises fordern oder Schadensersatz geltend machen.
  4. Beweissicherung: Ein Gutachten oder gerichtliches Beweisverfahren hilft, den Mangel zu dokumentieren und im Streitfall zu beweisen.

Hier gilt es zu beachten: 

  • FahrzeugIdentifizierungsnummer (FIN) prüfen: Jedes Fahrzeug besitzt eine einzigartige FIN, die wertvolle Informationen über das Fahrzeug liefern kann. Sie können die FIN online überprüfen, um festzustellen, ob das Fahrzeug gestohlen wurde, wie viele Vorbesitzer es hatte, ob Inspektionen durchgeführt wurden, ob der Tachostand plausibel ist und ob es Hinweise auf Unfälle oder Schäden gibt. Es gibt verschiedene Websites, die diese Dienste anbieten, wie zum Beispiel autoDNA oder VINInfo. Die Online-Prüfung der FIN ist einfach und schnell; Sie müssen lediglich die FIN in ein Suchfeld eingeben.
  • Autoschufa nutzen: Über die informa HIS GmbH können Sie Informationen über ein Fahrzeug erhalten, indem Sie die FIN verwenden. Die Autoschufa sammelt Informationen von Versicherern und kann Auffälligkeiten bei Schadenfällen aufzeigen, z.B. ungewöhnlich häufige Schäden, fiktive Abrechnungen oder Mehrfachabrechnungen. Sie können einmal jährlich eine kostenlose Auskunft anfordern.
  • Auf Unstimmigkeiten achten: Achten Sie beim Kauf eines Gebrauchtwagens, insbesondere online, darauf, dass die FIN korrekt angegeben ist. Kriminelle können die FIN eines gestohlenen Fahrzeugs verwenden, um es als ihr eigenes auszugeben.
  • Zeugen mitnehmen: Nehmen Sie beim Kauf eines Autos immer einen Zeugen mit, um zu vermeiden, alleine mit dem Verkäufer zu verhandeln.
  • Dokumente sichern: Sichern Sie alle relevanten Dokumente, wie zum Beispiel die Online-Anzeige des Fahrzeugs, um im Falle eines Betrugs Beweise zu haben.

Zusätzliche Tipps beim Autokauf

  • Verkäufer überprüfen: Recherchieren Sie den Verkäufer und prüfen Sie seine Bewertungen, bevor Sie ein Fahrzeug kaufen.
  • Auf verdächtige Angebote achten: Seien Sie vorsichtig bei Angeboten, die zu gut erscheinen, um wahr zu sein, oder bei Verkäufern, die Druck auf Sie ausüben, schnell zu kaufen.
  • Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl: Wenn Sie bei einem Angebot unsicher sind, kaufen Sie das Fahrzeug nicht.
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