Es gibt viele Sprüche für das Verleihen oder Vermieten und die Enttäuschung, die damit verbunden ist, wenn es schiefgeht: “Ausleihen ist wie Wegwerfen; Rückzahlung ist wie ein Fund.” (sagt ein Sprichwort)
Wer etwas aus der Hand gibt, möchte es möglichst ordentlich zurück, beispielsweise ein sehr wertvolles Auto oder eine Wohnung. Eingang in die Gerichtsakten haben viele Fälle mit Mietwagen gefunden. Wer haftet bei einer Beschädigung des Autos? Mieter fragen sich häufig, wer für den Schaden haftet und wer den Schaden beweisen muss. Dieser Blogbeitrag von Dr. Thomas Schulte beleuchtet genau diese Fragen und zeigt auf, welche Rechte und Pflichten sowohl Mieter als auch Vermieter haben, wenn es um Schadensersatzansprüche nach der Rückgabe eines Mietwagens geht.
Haftung für Schäden am Mietwagen: Wer trägt die Verantwortung?
Grundsätzlich haftet der Mieter für Schäden, die während der Mietdauer am Fahrzeug entstehen. Diese Haftung erstreckt sich auf Unfallschäden, Schäden durch unsachgemäße Nutzung und auch auf Fälle, in denen der Mieter fahrlässig gehandelt hat. Viele Mietverträge enthalten allerdings auch Regelungen zu Selbstbeteiligungen und Haftungsbeschränkungen, die die Verantwortung des Mieters einschränken können. Doch was passiert, wenn ein Schaden entdeckt wird und keine der Parteien eindeutig weiß, wann und wie dieser entstanden ist?
Ein Fall, der dies verdeutlicht, fand Eingang in die Gerichtsakten: Herr Holger Meyer aus Lübeck hatte einen Wagen gemietet und gab ihn wie vereinbart zurück. Zwei Tage später erhielt er einen Anruf vom Autovermieter, der einen Kratzer an der Stoßstange reklamierte und Schadensersatz forderte. Herr Meyer war sich keiner Schuld bewusst und betonte, dass der Kratzer bereits bei der Übernahme des Fahrzeugs vorhanden gewesen sein musste. Nun stellte sich die Frage: Wer muss den Schaden beweisen?
Die Beweislast des Vermieters: Zentrale Rolle des Übergabeprotokolls
In einem solchen Fall ist die Beweislast ein entscheidender Faktor. Überraschenderweise liegt die Beweislast zunächst beim Vermieter. Das bedeutet, dass der Vermieter nachweisen muss, dass der Schaden während der Mietzeit entstanden ist und das Fahrzeug bei der Übergabe an den Mieter noch unversehrt war. In der Praxis ist dieser Nachweis jedoch oft nicht so leicht zu erbringen, vor allem wenn kein Übergabeprotokoll existiert.
Was ist ein Übergabeprotokoll und warum ist es so wichtig?
Das Übergabeprotokoll ist ein Dokument, das den Zustand des Fahrzeugs bei der Übergabe an den Mieter genau festhält. Dieses Protokoll wird von beiden Parteien, also Mieter und Vermieter, unterzeichnet und dient als Beweismittel, falls später Streitigkeiten über den Zustand des Autos entstehen.
Beispiel:
Frau Schmidt mietet ein Auto für eine Woche Urlaub an der Ostsee. Bei der Rückgabe wird ein Schaden am Lack festgestellt. Da bei der Übergabe ein ausführliches Protokoll angefertigt wurde, in dem keinerlei Schäden vermerkt sind, kann der Vermieter den Schaden klar dem Mietzeitraum zuordnen. Hätte es kein Übergabeprotokoll gegeben, hätte Frau Schmidt argumentieren können, dass der Schaden schon vor der Mietzeit bestanden hat.
Fehlendes Übergabeprotokoll: Konsequenzen und Rechtslage
Was passiert aber, wenn kein Übergabeprotokoll vorhanden ist? Ein Urteil des Landgerichts Lübeck vom 6. März 2024 verdeutlicht die Folgen. In dem verhandelten Fall konnte der Vermieter keine Schadensersatzansprüche durchsetzen, weil kein Übergabeprotokoll vorlag und die Mitarbeiter sich nicht mehr an den Zustand des Fahrzeugs bei der Übergabe erinnern konnten. Ohne das Protokoll fehlten dem Vermieter die nötigen Beweise, um den Schaden zweifelsfrei dem Mieter zuzuordnen.
Dieses Urteil zeigt, wie wichtig es ist, den Zustand des Fahrzeugs bei der Übergabe genau zu dokumentieren. Ohne dieses Protokoll wird es für den Vermieter sehr schwierig, Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
Grobe Fahrlässigkeit und ihre Auswirkungen auf die Haftung
Ein weiterer wichtiger Aspekt in Mietverträgen ist die grobe Fahrlässigkeit. Viele Verträge beinhalten Klauseln, die die Haftung des Mieters bei grober Fahrlässigkeit wieder erhöhen. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Mieter in einer Weise gehandelt hat, die über einfache Unachtsamkeit hinausgeht.
Herr Braun aus Landshut fährt mit seinem Mietwagen auf einer kurvigen Landstraße – vielleicht noch bei nasser Fahrbahn – viel zu schnell und kommt in einer scharfen Kurve von der Fahrbahn ab, wobei das Fahrzeug erheblichen Schaden nimmt. Da Herr Braun deutlich gegen Verkehrsregeln verstoßen und grob fahrlässig gehandelt hat, wird er möglicherweise den gesamten Schaden selbst zahlen müssen, auch wenn im Vertrag eine Selbstbeteiligung vereinbart war. Das Landgericht Landshut meinte, jedenfalls muss der Vermieter beweisen, dass der Herr Braun einen Fehler gemacht habe (LG Landshut, Urteil vom 30.03.2011 –14 S 254/11). Musterhaft heißt es in der Akte: “Im Rahmen des § 280 I BGB obliegt dem Vermieter der Beweis für die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale. Er muss beweisen, dass überhaupt ein Schaden vorliegt, und dieser bei Beginn des Mietverhältnisses bisher nicht vorhanden war; für den Nachweis des nachträglichen Eintritts kommt ihm die Beweiskraft eines Übergabeprotokolls zugute. Ferner muss er beweisen, dass die Schadensursache aus dem Obhutsbereich des Mieters stammt; eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität findet nicht statt. Diese Nachweispflicht erfüllt der Vermieter dadurch, dass er eine Schadensursache aus seinem Pflichtenkreis ebenso ausschließt wie eine Verursachung durch andere Mieter oder Dritte (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl., § 538 Rn. 4). Der Vermieter trägt demnach auch die Beweislast dafür, dass die Schadensursache nicht aus dem Verhalten eines Dritten herrührt, für den der Mieter nicht – nach § 278 BGB – haftet (vgl. BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 28/04, NJW-RR 2005, 381). Bei unaufklärbarem Sachverhalt haftet der Mieter also nicht.”
Welche Beweise sind zulässig und relevant?
Um Schadensersatz zu verlangen oder sich gegen solche Forderungen zu wehren, sind Beweise von zentraler Bedeutung. Dazu gehören neben dem Übergabeprotokoll auch Fotos, Videos und Zeugenaussagen. Mieter sind daher gut beraten, bei der Übernahme des Fahrzeugs den Zustand selbst zu dokumentieren, beispielsweise durch Fotos, die eventuelle Kratzer oder Dellen festhalten. Diese Beweise können im Streitfall entscheidend sein.
Wichtige Beweismittel im Schadensfall:
- Übergabeprotokoll: Dokumentiert den Zustand des Fahrzeugs bei der Übergabe.
- Fotos und Videos: Visuelle Beweise des Fahrzeugzustands bei der Übernahme.
- Zeugen: Mitarbeiter des Vermieters oder Begleitpersonen können als Zeugen dienen.
- Sachverständige: Bei größeren Schäden kann ein Gutachten eines Experten erforderlich sein.
Empfehlungen für Mieter: So schützen Sie sich vor unberechtigten Forderungen
Mieter sollten einige Vorkehrungen treffen, um sich vor unberechtigten Schadensersatzforderungen zu schützen. Dazu gehört, stets auf ein Übergabeprotokoll zu bestehen und den Zustand des Fahrzeugs bei der Übernahme eigenständig zu dokumentieren. Sollte während der Mietzeit ein Schaden entstehen, ist es ratsam, diesen sofort dem Vermieter zu melden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Handlungstipps für Mieter:
– Fordern Sie immer ein Übergabeprotokoll an.
– Dokumentieren Sie den Zustand des Fahrzeugs bei Übernahme (Fotos/Videos).
– Melden Sie Schäden sofort dem Vermieter.
– Lassen Sie sich bei Schadensersatzforderungen nicht einschüchtern und verlangen Sie Beweise.
Fazit: Dokumentation schützt vor Streitigkeiten
Die Rückgabe eines Mietwagens ist ein kritischer Moment, in dem Missverständnisse und Konflikte entstehen können. Sowohl Mieter als auch Vermieter sind gut beraten, den Zustand des Fahrzeugs genau zu dokumentieren. Ein detailliertes Übergabeprotokoll und zusätzliche Beweise wie Fotos oder Videos sind unerlässlich, um sich im Schadensfall abzusichern.
Landgericht LG Lübeck 6. Zivilkammer, Entscheidungsdatum: 06.03.2024, Aktenzeichen: 6 O 82/23 und LG Landshut, Urteil vom 30.03.2011 –14 S 254/11