Email: law@meet-an-expert.com
Telefon: +370 (5) 214 3426

Sanktionen und Finanzintermediation: Pflichten nach dem GwG

ABOWI Law
Sanktionen und Finanzintermediation- Pflichten nach dem GwG - ABOWI Law

Wenn aus Geld Bewegung wird – Wie Sanktionsrecht, Geldwäschegesetz und internationale Krisen die Verantwortung von Finanzintermediären neu definieren

Es sind nüchterne Daten, die für höchste Alarmbereitschaft sorgen sollten: Am 17. April 2025 hat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) in der Schweiz kurzfristig Änderungen an den Anhängen 8 und 25 der Ukraine-Sanktionsverordnung beschlossen – in Kraft ab dem 23. April. Für Banken, Vermögensverwalter, Treuhänder und andere Finanzintermediäre bedeutet das: prüfen, dokumentieren, melden – sofort und ohne Spielraum für Verzögerung.

Doch diese Mitteilungen sind weit mehr als technische Aktualisierungen. Sie sind Ausdruck eines Wandels, in dem Sanktionsrecht und Geldwäscheprävention zunehmend verschmelzen – zu einem System, das Finanzintermediäre nicht nur in die Pflicht nimmt, sondern sie faktisch in eine staatliche Vorfeldfunktion versetzt. Die Frage ist: Sind sie diesem neuen Rollenverständnis gewachsen – rechtlich, technisch, ethisch?

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt

Dr. Thomas Schulte, Jurist beobachtet die Entwicklung mit zunehmender Sorge: „Was früher reine außenpolitische Maßnahmen waren, wird heute zur aufsichtsrechtlichen Bringschuld im Alltag jedes Finanzdienstleisters. Der Begriff der Intermediation steht nicht mehr nur für neutrale Abwicklung – er bedeutet aktive Mitverantwortung.“

Die aktuellen Ereignisse werfen daher Fragen auf, die weit über den Anlassfall hinausreichen: Was müssen Finanzintermediäre konkret tun, wenn Sanktionen kurzfristig angepasst werden? Welche Prüfpflichten gelten – und wann wird aus bloßer Unachtsamkeit ein Verstoß gegen das Geldwäschegesetz oder gar Beihilfe zur Sanktionsumgehung? Und wie verhält sich deutsches Recht zu den Regelungen im benachbarten, aber souveränen Finanzplatz Schweiz?

Internationale Sanktionen und ihre Wirkungskraft

Die Schweiz, obwohl kein EU-Mitglied, übernimmt sukzessive bestimmte EU-Sanktionen gegenüber Russland. Dabei handelt es sich häufig um wirtschaftliche, handelspolitische oder personenbezogene Maßnahmen gegenüber natürlichen und juristischen Personen. Mit der Änderung der Anhänge 8 und 25 reagiert die Schweiz auf die sich wandelnden geopolitischen Rahmenbedingungen und erhöht zugleich die Anforderungen an alle relevanten Marktteilnehmer.

Diese Anhänge beinhalten spezifisch Listen sanktionierter Personen, Organisationen und Vermögenswerte. In den erweiterten Anhängen finden sich neue Namen und Institutionen, gegenüber denen Finanzintermediäre nach Art. 15 der Ukraine-Verordnung (SR 946.231.176.72) bestimmte Handlungspflichten haben. Hierzu zählen insbesondere das Einfrieren von Vermögenswerten und das Verbot, Vermögenswerte direkt oder indirekt zur Verfügung zu stellen oder zugänglich zu machen.

Pflichten der Finanzintermediäre nach Schweizer Recht

Ein Finanzintermediär im Sinne der schweizerischen Gesetzgebung hat eine besonders strenge Sorgfaltspflicht. Ein Blick ins Geldwäschereigesetz (GwG) zeigt: Gemäß Art. 6 GwG sind Finanzinstitute verpflichtet, bei Verdachtsmomenten weiterführende Abklärungen durchzuführen. Kann der Verdacht nicht ausgeräumt werden, muss gemäß Art. 9 GwG umgehend eine Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) erfolgen. Dies ist keine Option, sondern Pflicht.

Bemerkenswert ist hierbei die konkrete Verzahnung von Sanktionsverordnung und Geldwäschereibekämpfung: „Die Meldung an das SECO entbindet einen Finanzintermediär nicht davon, zusätzliche Abklärungen gemäß Art. 6 GwG vorzunehmen.“ Dies bedeutet aus juristischer Sicht: Das bloße Informieren des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) reicht keineswegs aus. Compliance funktioniert nicht über Formalitäten, sondern durch Substanz.

Risiken bei Unterlassung und fehlerhafter Umsetzung

Für Finanzintermediäre führt eine unterlassene oder fehlerhafte Umsetzung dieser Maßnahmen zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen. Zwar regelt das Schweizer Recht die genauen Sanktionen unterschiedlich je nach Schweregrad, allerdings kann ein fahrlässiges Verhalten zu aufsichtsrechtlichen Verfahren, Bußgeldern oder sogar zum Entzug der Geschäftslizenz führen. Der Druck kommt dabei nicht nur von Schweizer Behörden.

Auch europäische Partner und internationale Bankenverbände erwarten von Schweizer Intermediären ein Einhalten globaler Standards. In einer Zeit erhöhter globaler Sanktionspolitik reicht nationale Compliance allein nicht aus. Die Schweiz steht als „sauberer Finanzplatz“ im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit – ein Versagen bei der Anwendung der Sanktionen könnte international wahrgenommen werden.

Vergleich mit deutschem Sanktions- und Geldwäschegesetz

Auch in Deutschland wird mit großer Strenge kontrolliert. Die Sorgfaltspflichten nach dem Geldwäschegesetz (GwG – § 10 ff.) umfassen ebenfalls die Identifikation wirtschaftlich Berechtigter, Risikomanagementsysteme und die Pflicht zur Verdachtsmeldung (§ 43 GwG). Eine Parallele also zur Schweizer Rechtslage.

Was allerdings besonders heraussticht, ist der Umstand, dass sowohl das deutsche als auch das schweizerische System Finanzintermediären keine „sichere Zone“ gewährt. Wer sanktionierte Vermögen nicht einfriert oder weitergibt, riskiert aktive Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Handlungen – eine strafrechtliche Dimension ganz eigener Art.

Anwendungsbeispiele und Herausforderungen in der Praxis

Als langjähriger Rechtsanwalt für Bankenrecht sehe ich konkrete Herausforderungen auf Intermediäre zukommen. Häufig bestehen komplexe Beteiligungsstrukturen mit mehreren zwischengeschalteten Gesellschaften. Die wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse müssten dabei vollständig offengelegt werden, um eine echte Prüfung auf Sanktionen vornehmen zu können. „Oftmals ist diese Transparenz durch Offshore-Strukturen oder treuhänderische Modelle erschwert“, so Dr. Thomas Schulte.

Ein weiteres Problem stellt die technische Umsetzung dar. In vielen Fällen sind Datenbanken der Banken nicht tagesaktuell oder offizielle Sanktionslisten werden erst mit Verzögerung in interne Systeme eingespeist. Dies führt zu einem erheblichen Zeitdruck in der Umsetzung. Dennoch gibt das Gesetz keine Schonfrist: Sanktionen gelten verbindlich ab dem Inkrafttreten eines rechtlichen Akts – in diesem Fall dem 23. April 2025.

Rolle der Compliance-Abteilungen und Kommunikation mit Behörden

Ein effektives Compliance-Management ist zwingende Voraussetzung für die gesetzeskonforme Durchführung der neuen Vorgaben. Vor allem größere Banken und Fondsverwalter verfügen über umfangreiche Compliance-Abteilungen. Dennoch zeigt die Praxis: „Technologie allein ersetzt keine juristische Bewertung. Es braucht Menschen, die die Regeln verstehen, interpretieren und anpassen können“, betont Dr. Thomas Schulte.

Auch der Dialog mit Behörden wie dem SECO oder der MROS muss professionell und dokumentiert erfolgen. Jegliche Kommunikation sollte archiviert, dokumentiert und rechtssicher erfolgen. Fehler in diesem Bereich können nicht durch spätere Korrekturen geheilt werden – sie gelten als irreparabel.

Fazit: Sanktionen als Compliance-Stresstest – und die unbequeme Frage nach der Verantwortlichkeit

Die Aktualisierung der Anhänge 8 und 25 zur Ukraine-Verordnung ist keine bloße Fußnote internationaler Diplomatie – sie ist ein Weckruf an die Finanzpraxis. Was nach bürokratischer Anpassung klingt, entfaltet im Alltag der Finanzintermediation eine erhebliche juristische Sprengkraft. Die Sanktionspraxis der Schweiz wirkt längst nicht mehr isoliert, sondern entfaltet ihre Reichweite über Grenzen, Systeme und Rechtsordnungen hinweg – mitten hinein in deutsche Banken, Treuhandgesellschaften und Vermögensverwalter, die russlandbezogene Kundenbeziehungen unterhalten oder mit schweizerischen Finanzinstituten vernetzt sind.

Der Gesetzgeber meint es ernst. Doch was bedeutet das im konkreten Fall? Sind deutsche Finanzintermediäre überhaupt in der Lage, ad hoc auf ausländische Sanktionsänderungen zu reagieren – nicht nur technisch, sondern auch juristisch belastbar? Welche internen Kontrollsysteme greifen, wenn ein neuer Name auf der Liste erscheint, während der Kunde bereits seit Jahren diskret betreut wird? Und wie weit reicht die Pflicht zur aktiven Risikoanalyse – ist sie mit einer bloßen Abfrage in einer Datenbank erledigt?

Dr. Thomas Schulte bringt es auf den Punkt: „Die Herausforderung besteht nicht im Gesetzestext, sondern in seiner operativen Umsetzung. Wer hier nicht präzise arbeitet, gerät ungewollt ins Visier der Aufsicht – und das im Zweifel gleich auf mehreren Ebenen.“

Was bleibt, ist eine kritische, fast unbequeme Frage: Ist der heutige Finanzintermediär überhaupt noch in der Lage, die Vielzahl an Vorschriften, Meldewegen, Prüfschritten und Abgrenzungen rechtssicher zu erfüllen – oder mutiert er zunehmend zum Erfüllungsgehilfen außenpolitischer Sanktionsstrategien, ohne selbst mitentscheiden zu dürfen?

Die Verantwortung ist enorm, die Grauzonen real – und das juristische Risiko existenziell. Wer als Intermediär weiterhin Vertrauen verdienen will, muss heute nicht nur Gesetze verstehen, sondern ihre politische Logik – und ihre operative Reichweite. Denn in der globalisierten Finanzwelt gilt: Unwissen schützt vor Verantwortung nicht – und formale Pflichterfüllung ersetzt keine strategische Wachsamkeit.

Picture of Maximilian Bausch

Maximilian Bausch

Maximilian Bausch, Gründer von ABOWI UAB, erfahrener Berater für Unternehmen im Bereich Online-Reputation. Als studierter Wirtschaftsingenieur und mit einer Ausbildung als Industriemechaniker bringt er eine einzigartige Kombination aus technischem Wissen und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten mit. Früh zeigte er Interesse an technologischem Fortschritt, was ihn dazu befähigt, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Mit seiner Expertise hilft er Unternehmen, ihre digitale Präsenz zu optimieren und rechtliche Herausforderungen im Online-Bereich zu meistern. Maximilian Bausch vereint technisches Verständnis, betriebswirtschaftliches Know-how mit unternehmerischer Kompetenz, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.

Was benötigen Sie für Ihren Autokauf?

Ihre Frage zu Ihrem Autokauf