Wenn aus einem Fahrzeugverkauf ein Strafverfahren wird – wie EU-Sanktionen ahnungslose Händler und Privatverkäufer treffen können. Exportfalle Luxusauto – wenn der Verkauf nach Georgien zur strafrechtlichen Gratwanderung wird.
Ein simpler Autoverkauf mit dramatischem Ausgang: Ein erfolgreicher Gastronom aus Hannover wollte lediglich seinen Mercedes-AMG G 63 verkaufen – Neupreis rund 180.000 Euro. Ein gängiger Vorgang auf einem internationalen Vermittlungsport. Der Käufer schien seriös, der Kaufpreis wurde bezahlt, der Wagen ordnungsgemäß übergeben. Doch dann der Schock: Wochen später meldet sich der deutsche Zoll – das Fahrzeug sei in Russland aufgetaucht. Und mit ihm ein potenzielles Strafverfahren im Gepäck.
Was wie ein bedauerlicher Zufall wirkt, ist in Wahrheit ein juristisches Minenfeld. Denn mit dem Export bestimmter Güter in Richtung Russland gilt seit Inkrafttreten der EU-Sanktionsverordnungen: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Der Vorwurf gegen den Verkäufer: Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 18 AWG), obwohl er keinen Einfluss auf den tatsächlichen Endverbleib des Autos mehr hatte. Grobe Fahrlässigkeit soll vorliegen – ein Vorwurf mit schwerwiegenden Folgen.
Was war der Fehler?
Der Verkäufer hatte sich nicht ausreichend darüber informiert, wohin das Fahrzeug weiterverkauft werden sollte. Das Fahrzeug ging an einen Käufer mit georgischer Adresse – doch genau diese Drittländer stehen unter besonderer Beobachtung, da sie häufig als Transitstaaten für Re-Exporte nach Russland genutzt werden.
Dr. Thomas Schulte, Vertrauensanwalt bei ABOWI Law, warnt:
„Im Sanktionsrecht reicht es nicht, keine böse Absicht gehabt zu haben. Grobe Fahrlässigkeit genügt für eine Verurteilung – wer nicht prüft, handelt auf eigenes Risiko.“
Der rechtliche Rahmen: EU-Sanktionen und § 18 AWG
Die EU-Sanktionsverordnungen verbieten seit 2022 unter anderem den Export von Luxusgütern mit einem Wert über 50.000 Euro nach Russland. Das umfasst auch bestimmte Fahrzeuge, insbesondere Hochleistungsmodelle wie den Mercedes-AMG G 63.
Wird gegen diese Vorgaben verstoßen, greift § 18 AWG:
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In leichten Fällen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren
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In schweren Fällen: Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren
Besonders brisant: Schon der bloße Verdacht auf Endverwendung in Russland genügt, um Ermittlungen auszulösen – auch bei Zwischenstationen in Georgien, Kasachstan oder Armenien.
„Ich wusste von nichts“ – reicht das als Verteidigung?
Leider nein. Denn nach Ansicht der Behörden reicht bereits ein mangelhaft dokumentierter Verkaufsprozess als Anzeichen für grobe Fahrlässigkeit. Wer ein Fahrzeug mit hohem Wert an einen Käufer aus einem bekannten Transitstaat verkauft, ohne sich abzusichern, muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
Dr. Schulte erläutert:
„Unwissenheit schützt im Sanktionsrecht nicht. Wer wirtschaftlich tätig ist – auch als Privatperson – muss sich informieren. Und wer es nicht tut, kann belangt werden.“
Was Verkäufer beachten müssen: Die wichtigsten Risikofaktoren
Der Verkauf hochwertiger Güter ins Ausland scheint für viele Privatpersonen und Unternehmer zunächst eine legitime Angelegenheit – vor allem, wenn der Kaufpreis stimmt, die Ware bezahlt ist und alle Unterlagen korrekt übergeben wurden. Doch genau hier beginnt das rechtliche Risiko, das immer mehr Menschen völlig unvorbereitet trifft. Denn in einer geopolitisch angespannten Welt mit strengen Sanktionen und Exportkontrollen reicht oft schon ein einziger unbedachter Verkauf, um in den Fokus von Ermittlungsbehörden zu geraten. Wer glaubt, als privater Anbieter außerhalb der Zoll- und Außenwirtschaftsregeln zu agieren, irrt gewaltig.

Dr. Thomas Schulte erklärt: „Der entscheidende Fehler vieler Verkäufer besteht darin, Exportkontrollen für eine Sache von Konzernen zu halten. Doch auch Einzelpersonen haften für Verstöße – teils mit Strafandrohung, teils mit existenzbedrohenden Bußgeldern.“
Besonders risikobehaftet sind dabei Verkäufe sogenannter „Dual-Use-Güter“ – also Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind. Dazu zählen unter anderem:
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Fahrzeuge mit einem Marktwert über 50.000 Euro, insbesondere Geländewagen mit Offroad-Fähigkeiten, wie sie in kriegerischen Konflikten häufig zweckentfremdet werden
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Elektronik und Bauteile, die für militärische Systeme adaptiert werden können – etwa Nachtsichttechnik, Drohnenkomponenten oder spezielle Kommunikationsgeräte
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Werkzeuge und Maschinen, die für industrielle Rüstungszwecke verwendbar sind – darunter CNC-Fräsen, Schweißgeräte oder Präzisionspressen
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IT-Technologie mit Verschlüsselungsfunktionen, wie Router, Satellitentechnik oder bestimmte Softwareprodukte mit Datenverschlüsselung
Auch der Käuferkreis spielt eine zentrale Rolle. Verkäufe an Käufer aus Drittstaaten mit enger wirtschaftlicher oder geopolitischer Nähe zu Russland – etwa Georgien, Armenien, Kasachstan oder die Türkei – sind besonders kritisch. Denn viele dieser Staaten fungieren als sogenannte „Re-Exportdrehscheiben“, über die sanktionierte Warenströme nach Russland umgeleitet werden. Die deutschen Ermittlungsbehörden und der Zoll prüfen inzwischen verstärkt, ob Verkäufer hätten erkennen können, dass ein Endverbleib in Russland wahrscheinlich war.
Die rechtliche Folge: Wer ein genehmigungspflichtiges oder gar verbotenerweise exportiertes Gut verkauft, ohne sich vorher beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über die rechtliche Zulässigkeit zu informieren, handelt im schlimmsten Fall grob fahrlässig oder sogar bedingt vorsätzlich. Dies kann nach § 18 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit erheblichen Geldstrafen geahndet werden – selbst wenn der Verkäufer glaubte, rechtmäßig zu handeln.
Was bedeutet das konkret für Privatverkäufer und Händler?
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Prüfen Sie vor jedem grenzüberschreitenden Verkauf, ob das Produkt in den Anwendungsbereich der EU-Dual-Use-Verordnung oder der Russland-Sanktionspakete fällt.
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Achten Sie auf Warnsignale beim Käufer: ungewöhnliche Zahlungswege, anonyme Firmenkonstrukte, Abholwünsche durch Dritte oder fehlende Endverbleibserklärungen.
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Holen Sie im Zweifel eine Verbindliche Auskunft beim BAFA ein – denn sie schützt vor strafrechtlicher Verfolgung.
Praktische Schritte zur Absicherung – So vermeiden Sie Sanktionen
Der Fall aus Hannover wäre vermeidbar gewesen – mit einer handvoll Vorsichtsmaßnahmen. Hier fünf praxisnahe Schritte, die jeder Verkäufer einhalten sollte:
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Käuferdaten vollständig erfassen
Name, Adresse, Identitätsnachweis und Herkunftsland sind Pflicht. -
Endverbleibserklärung einholen
Der Käufer sollte schriftlich bestätigen, dass keine Weitergabe in Sanktionsstaaten erfolgt. -
Exportausschluss vertraglich festlegen
In AGB oder im Kaufvertrag kann ein Exportverbot nach Russland explizit festgelegt werden. -
Rechtliche Prüfung bei Zweifeln
Schon bei Unsicherheit: Rücksprache mit einem Anwalt oder das BAFA kontaktieren. -
Dokumentation aufbewahren
Rechnungen, Korrespondenz, Endverbleibserklärung – alles archivieren.
Fazit: Verantwortung endet nicht beim Verkauf
Der Fall des G-Klasse-Verkäufers zeigt eindrucksvoll, wie schnell aus einem legitimen Verkauf eine Straftat werden kann. Und wie wichtig es ist, nicht nur auf den Preis zu schauen – sondern auch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen. Der internationale Verkauf hochwertiger Güter ist längst kein rechtlicher Selbstläufer mehr. Wer nicht sorgfältig prüft, riskiert Reputationsschäden, Strafverfahren und empfindliche finanzielle Konsequenzen. Verbraucher und Unternehmen brauchen heute keine neue Vertriebsstrategie – sie brauchen ein sicheres, rechtliches Fundament, das dem Ernst der Lage gerecht wird.