Schufa-Scoring und DSGVO: Ein datenschutzrechtlicher Konflikt?
Verstößt das Schufa-Scoring gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasst sich derzeit mit zwei Verfahren, die erhebliche Auswirkungen auf Privatpersonen, Unternehmen und die gesamte Finanzbranche haben könnten. Die anstehenden Entscheidungen könnten nicht nur zu mehr Transparenz bei der Bonitätsbewertung führen, sondern auch die Rechte der Bürger bei der Verarbeitung ihrer persönlichen Daten stärken.
Dr. Thomas Schulte, erfahrener Rechtsanwalt in Berlin, erklärt die rechtlichen Hintergründe und möglichen Folgen dieser Verfahren für Betroffene und Unternehmen.
Die Bedeutung der Schufa und des Schufa-Scorings
Die Schufa Holding AG gehört zu den einflussreichsten Wirtschaftsauskunfteien in Deutschland. Sie speichert Daten von Millionen Verbrauchern, um deren Kreditwürdigkeit zu bewerten. Banken, Mobilfunkanbieter, Vermieter und andere Unternehmen greifen regelmäßig auf diese Informationen zurück, um finanzielle Risiken bei Vertragsabschlüssen zu minimieren. Ein negativer Schufa-Eintrag kann den Abschluss von Kredit-, Miet- oder Mobilfunkverträgen erheblich erschweren.
Das sogenannte Schufa-Scoring ist besonders umstritten. Dabei berechnet ein Algorithmus einen Score-Wert, der die Kreditwürdigkeit einer Person widerspiegeln soll. Wie genau dieser Wert ermittelt wird, bleibt für Betroffene undurchsichtig. Studien zeigen, dass viele algorithmische Bonitätsbewertungen fehleranfällig sind und auf veralteten oder unvollständigen Daten basieren. Eine Untersuchung der Universität Göttingen aus dem Jahr 2022 ergab, dass Menschen mit niedrigem Einkommen oder Migrationshintergrund überdurchschnittlich oft von negativen Bewertungen betroffen sind. Dies kann soziale Ungleichheiten verstärken.
„Die mangelnde Transparenz des Schufa-Scorings stellt ein erhebliches Problem dar. Fehlerhafte oder unvollständige Daten können schwerwiegende Folgen für Verbraucher haben“, warnt Dr. Thomas Schulte.
EuGH überprüft Schufa-Verfahren: Datenschutz auf dem Prüfstand
Der EuGH befasst sich derzeit mit zwei Verfahren, die weitreichende Konsequenzen für die Praxis der Bonitätsbewertung in Deutschland haben könnten.
Automatisierte Entscheidungen und die DSGVO
Das erste Verfahren (Rs C-634/21) bezieht sich auf die Frage, ob das Schufa-Scoring gegen Artikel 22 DSGVO verstößt. Dieser Artikel verbietet vollautomatisierte Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf eine Person haben, es sei denn, es liegt eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage oder eine Einwilligung des Betroffenen vor.
Bereits in einem Gutachten stellte der EuGH-Generalanwalt fest, dass das Scoring eine automatisierte Entscheidungsfindung darstellt. Da Banken und andere Unternehmen ihre Kreditentscheidungen oft maßgeblich vom Schufa-Score abhängig machen, könnte dies gegen die DSGVO verstoßen. Sollte der EuGH dieser Einschätzung folgen, wären umfassende Änderungen im Scoring-System der Schufa erforderlich.
Speicherung von Insolvenz-Daten aus öffentlichen Registern
Im zweiten Verfahren (Rs C-26/22 und C-64/22) wird untersucht, ob die Schufa Daten aus öffentlichen Registern – insbesondere aus Insolvenzbekanntmachungen – länger speichern darf als die ursprüngliche Quelle. Während öffentliche Register diese Informationen nach sechs Monaten löschen, behält die Schufa sie bis zu drei Jahre lang.
Der EuGH-Generalanwalt hält diese Praxis für unzulässig. Eine lange Speicherung könnte den wirtschaftlichen Neustart von Verbrauchern behindern. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2022 zeigt, dass eine verkürzte Speicherfrist Schuldnern helfen könnte, schneller wieder am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Falls der EuGH dieser Einschätzung folgt, müsste die Schufa ihre Speicherfristen anpassen, was für viele Menschen eine Erleichterung bedeuten würde.
Mögliche Auswirkungen auf Verbraucher und Unternehmen
Sollte der EuGH die aktuelle Schufa-Praxis für rechtswidrig erklären, hätte dies tiefgreifende Folgen für alle Beteiligten.
Konsequenzen für Verbraucher
- Mehr Transparenz über gespeicherte Daten und deren Einfluss auf Bonitätsbewertungen
- Schnellere Löschung negativer Einträge, insbesondere nach einer Restschuldbefreiung
- Möglicherweise bessere Chancen auf Kredite und Mietverträge
- Verbesserte Möglichkeiten zur Korrektur fehlerhafter Schufa-Einträge
„Verbraucher sollten nicht durch intransparente Algorithmen oder überlange Speicherfristen in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt werden“, betont Dr. Schulte.
Auswirkungen auf die Schufa
- Anpassung oder Reform des aktuellen Scoring-Systems
- Striktere Regeln für die Speicherung und Weitergabe von Daten
- Potenzielle Schadensersatzforderungen von Betroffenen
- Vertrauensverlust bei Banken und Verbrauchern
Sollten die Urteile des EuGH streng ausfallen, könnte die Schufa gezwungen sein, alternative Bewertungsmethoden zu entwickeln, die den Vorgaben der DSGVO besser entsprechen.
Folgen für Unternehmen
Auch Banken, Mobilfunkanbieter und Vermieter müssten auf eine mögliche Neuregelung reagieren:
- Entwicklung alternativer Methoden zur Bonitätsprüfung
- Erhöhung der Transparenz bei Kreditentscheidungen
- Anpassung von internen Entscheidungsprozessen
- Höhere Risiken bei der Kreditvergabe
Studien zeigen, dass alternative Bonitätsbewertungsverfahren, die beispielsweise auf offenen Finanzdaten beruhen, eine präzisere und fairere Einschätzung der Kreditwürdigkeit ermöglichen könnten.
Ein Wendepunkt für die Schufa?
Die anstehenden Entscheidungen des EuGH könnten das Geschäftsmodell der Schufa grundlegend verändern. Sollten die Richter den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen, müssten erhebliche Änderungen erfolgen. Verbraucher könnten durch mehr Datenschutz, fairere Bonitätsbewertungen und eine stärkere Kontrolle über ihre persönlichen Daten profitieren.
„Die Digitalisierung darf nicht dazu führen, dass grundlegende Verbraucherrechte geschwächt werden. Eine stärkere Regulierung kann dazu beitragen, die Transparenz und Fairness im Umgang mit Bonitätsbewertungen zu erhöhen“, so Dr. Thomas Schulte.
Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH entscheidet. Eines steht jedoch fest: Datenschutz und automatisierte Entscheidungsprozesse spielen eine immer größere Rolle. Klar definierte Regeln sind entscheidend, um faire Kreditentscheidungen und einen ausgewogenen Schutz sensibler Daten zu gewährleisten.
Rechtsberatung durch Dr. Thomas Schulte
Wer unsicher ist, welche Rechte er in Bezug auf seine Schufa-Daten hat oder Unterstützung bei der Korrektur eines fehlerhaften Eintrags braucht, findet in Dr. Thomas Schulte die richtige Anlaufstelle. Der erfahrene Experte im Datenschutz– und Vertragsrecht bietet praxisorientierte Lösungen für Verbraucher und Unternehmen.
Kanzlei Dr. Thomas Schulte
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Dr. Thomas Schulte zählt zu den führenden Vertrauensanwälten des ABOWI Law Netzwerks und unterstützt Mandanten bei allen Fragen zum Datenschutz und zur digitalen Kommunikation. Wer Probleme mit der Schufa oder datenschutzrechtliche Unsicherheiten hat, erhält hier kompetente Hilfe.