Lenken per Klick: Wie Amazon das Autohaus neu erfindet. Was der digitale Showroom von Skoda auf Amazon über die Zukunft des Autokaufs – und die Rolle des Rechts – verrät
Ein Auto auf Amazon kaufen? Was vor wenigen Jahren noch wie ein PR-Gag klang, ist heute Realität. Skoda wagt mit dem Projekt Click-to-Drive einen kühnen Schritt und stellt seine Fahrzeuge auf Amazon UK zur Schau – nicht als reines Marketing, sondern als echte digitale Vertriebslösung. Nutzer können Probefahrten buchen, Modelle vergleichen und Finanzierungsoptionen prüfen – alles bequem vom Sofa aus.
Doch während der Showroom virtuell ist, bleibt das Vertragsverhältnis ganz real: Der eigentliche Kauf wird weiterhin mit einem autorisierten Skoda-Händler abgeschlossen. Das ist nicht nur eine smarte Lösung für die Automobilbranche, sondern auch juristisch ein Balanceakt zwischen Innovation und Rechtssicherheit. Welche Rechte gelten im digitalen Autohaus? Was passiert bei Rücktritt oder Mängeln? Und wie verändert sich das Verbrauchervertrauen, wenn Amazon zur Verkaufsbühne wird?
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt in Berlin, sieht hier nicht nur einen technologischen Fortschritt, sondern einen rechtlich spannenden Wendepunkt im Handelsrecht – und stellt die Frage: Wer trägt die Verantwortung, wenn das digitale Lenkrad in der Cloud klemmt?
Der virtuelle Showroom: Amazon wird zur ersten Adresse
Skoda wagt den nächsten Schritt im digitalen Vertrieb – und platziert seine Fahrzeuge auf einer Plattform, die Millionen täglich nutzen: Amazon UK. Doch was zunächst wie ein digitaler Onlinekatalog klingt, ist viel mehr: Click-to-Drive bietet einen virtuellen Showroom, in dem potenzielle Kunden interaktiv in die Fahrzeugwelt eintauchen können.
Ob Probefahrtbuchung, Finanzierungsrechner oder Modellvergleich – Amazon wird zur Einstiegsbühne für den Fahrzeugkauf. Der entscheidende Punkt: Der eigentliche Vertrag wird weiterhin mit dem autorisierten Skoda-Händler abgeschlossen. Damit bleibt rechtliche Klarheit bestehen – und die stationäre Händlerstruktur wird geschickt eingebunden.
Hybride Vertriebsmodelle: Warum Skoda auf zwei Welten setzt
Die Strategie ist clever: Kunden informieren sich digital, doch der Kauf wird lokal abgewickelt. Laut einer Bitkom-Umfrage aus Deutschland nutzen über 70 Prozent der Käufer vor dem Autokauf Online-Informationen – doch der Abschluss findet meist offline statt.
Skoda kombiniert beides:
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Digitale Recherche mit Interaktion
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Regional verfügbare Fahrzeuge im Überblick
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Direkter Kontakt zum Händler vor Ort
So entsteht ein hybrides Modell, das Vertrauen schafft und gleichzeitig die Möglichkeiten digitaler Plattformen ausschöpft.
Warum Großbritannien der perfekte Testmarkt ist
Die Entscheidung für den Launch in Großbritannien ist kein Zufall. Der Markt gilt als digitalaffin, Amazon hat dort eine Nutzungsrate von über 90 Prozent. Gleichzeitig steigen Skodas Verkaufszahlen in UK – allein 2024 wurden über 78.000 Fahrzeuge verkauft.
Ein weiterer Vorteil: Die Lieferzeiten im britischen Skoda-Netz liegen bei nur zwei bis vier Wochen – eine beeindruckende Benchmark im Vergleich zu klassischen Händlerbeständen auf dem Kontinent.
Juristische Architektur des digitalen Autokaufs: Wer verkauft, haftet – aber wer ist „Verkäufer“ im Rechtssinn?
So innovativ der digitale Vertriebsansatz von Skoda über Amazon UK auch erscheint – rechtlich wirft das Modell vielschichtige und keineswegs triviale Fragen auf. Im Zentrum steht die zentrale zivilrechtliche Grundsatzfrage: Wer ist Vertragspartner im Sinne des § 433 BGB – und damit rechtlich verantwortlich für Lieferung, Sachmängelhaftung und Rückabwicklung? Diese Klärung ist nicht bloß formaler Natur, sondern juristisch entscheidend für die Zuordnung von Rechten, Pflichten und insbesondere von Haftungsrisiken.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte von ABOWI Law erläutert: „Das Vertragsgefüge muss für den Verbraucher eindeutig und transparent sein. Auch wenn der Kunde über die Plattform Amazon in den digitalen Showroom eintritt, darf nicht der Eindruck entstehen, Amazon selbst sei Vertragspartner – wenn tatsächlich ein autorisierter Skoda-Händler der Verkäufer ist. Andernfalls drohen nicht nur wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, sondern auch haftungsrechtliche Konflikte im Gewährleistungsfall.“
Denn nach § 433 Abs. 1 BGB ist es der Verkäufer, der verpflichtet ist, dem Käufer die Kaufsache – in diesem Fall ein Fahrzeug – mangelfrei zu übereignen und zu übergeben. Nach § 434 BGB haftet er zudem für Sachmängel, die bereits bei Gefahrübergang vorliegen. Ebenso trägt er die Informationspflichten gemäß Art. 246a EGBGB, insbesondere bei Fernabsatzverträgen, und muss vollständige und korrekte Angaben zu Preis, Ausstattung, Zustand und Rücktrittsrechten machen. Werden diese Informationen über die Plattform – etwa in verkürzter, missverständlicher oder marketinggeprägter Form – unzureichend dargestellt, kann dies nicht nur zur Anfechtbarkeit des Vertrags führen, sondern im Einzelfall auch eine Irreführung nach § 5 UWG darstellen.
Für die rechtliche Absicherung digitaler Kaufprozesse ist daher klar: Die Vertragspartneridentität muss bereits im Bestellprozess unmissverständlich kommuniziert werden, etwa durch klare Hervorhebung des Händlers als Anbieter im rechtlichen Sinn, inklusive Impressum, AGB und gesetzlicher Hinweise. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Käufer seine Rechte kennt – und geltend machen kann.
Transparenz ist Pflicht: Die wichtigsten Angaben laut Gesetz
Damit der digitale Verkaufsprozess rechtskonform ist, müssen die Informationspflichten des BGB eingehalten werden – insbesondere bei Online-Interaktionen.
Wichtige Pflichtangaben umfassen:
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Gesamtpreis inklusive aller Nebenkosten
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Lieferzeit, Zahlungsmodalitäten, Rücktrittsrechte
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Name und Anschrift des tatsächlichen Verkäufers
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Informationen zu Gewährleistung und Widerrufsrecht
§ 355 BGB regelt das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen – ein zentrales Thema. Doch wenn der Vertragsabschluss beim Händler vor Ort erfolgt, greift dieses Recht nicht. Für Kunden, die von Amazon eine Online-Komplettabwicklung erwarten, entsteht hier leicht Verwirrung.
Dr. Thomas Schulte warnt: „Die größte Gefahr liegt im Missverständnis. Wer glaubt, online zu kaufen, erwartet Online-Rechtsschutz. Wenn das nicht klar geregelt ist, kann es zu teuren Irrtümern kommen.“
Preisbindung, Plattformen und das Kartellrecht
Neben dem Vertragsrecht spielt auch die Wettbewerbsregulierung eine große Rolle. In Deutschland sind Neuwagenpreise zwar unverbindliche Preisempfehlungen, doch Händlernetze arbeiten oft mit abgestimmten Margen. Plattformaktionen oder aggressive Online-Rabatte können hier zu Konflikten mit der Preisbindung führen.
Das Bundeskartellamt beobachtet Plattformmodelle sehr genau. Ziel ist es, Markttransparenz zu sichern, aber gleichzeitig die Preisautonomie des Handels nicht zu unterlaufen.
Dr. Schulte erklärt: „Amazon darf keine indirekten Rabatte einführen, die Händler unter Druck setzen. Sobald Plattformen als faktische Preisführer auftreten, entstehen kartellrechtliche Risiken.“
Digitale Module mit rechtlichem Unterbau
Der technische Teil des Modells ist beeindruckend: Konfigurator, Probefahrtbuchung, Finanzierungscheck – alles ist in wenigen Klicks möglich. Doch genau darin liegt die juristische Herausforderung: Jeder digitale Touchpoint ist rechtlich relevant.
Einige Beispiele:
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Wird beim Finanzierungsrechner ein effektiver Jahreszins angezeigt?
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Erfolgt die Probefahrtauswahl DSGVO-konform?
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Gibt es ein rechtssicheres Double-Opt-In beim Kontaktformular?
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Wird das Widerrufsrecht korrekt erläutert, wenn ein Kaufangebot erfolgt?
Was in klassischen Autohausgesprächen persönlich geklärt wird, muss online vorab und transparent geregelt sein. Sonst drohen Abmahnungen, Rückabwicklungen oder Bußgelder.
Chancen für kleine Händler – mit klarer Struktur
Skoda bindet lokale Händler aktiv in das System ein. Das ist nicht nur klug, sondern strategisch notwendig. Viele kleine Autohäuser sehen digitale Plattformen oft als Bedrohung – dabei können sie auch profitieren.
Dr. Thomas Schulte rät: „Jetzt ist der Zeitpunkt, um interne Prozesse zu modernisieren: Vertragsabläufe, Widerrufsklauseln, Datenschutzrichtlinien und Preiskommunikation sollten juristisch geprüft und auf digitale Vertriebsmodelle abgestimmt werden.“
Auch Händler, die keine eigene Plattform entwickeln, können sich über Partnerlösungen, digitale Verkaufsplattformen oder API-Schnittstellen gut aufstellen – wenn die rechtlichen Grundlagen stimmen.
Digital ja – aber nicht rechtlos
Skoda zeigt mit Click-to-Drive, wie ein moderner Fahrzeugvertrieb aussehen kann: Digital, kundenfreundlich und gleichzeitig lokal verankert. Doch der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht nur in der Technik – sondern in der juristischen Klarheit und Verantwortung.
Denn eines ist sicher: Autokauf ist kein Onlineklick wie bei einem Buch. Es ist ein komplexer, rechtlich anspruchsvoller Prozess – und genau deshalb braucht er ein starkes Fundament.
Dr. Schulte fasst zusammen: „Digitale Innovation ist kein Selbstzweck. Nur wenn Plattformen technisch exzellent UND juristisch präzise sind, entsteht Vertrauen – und damit nachhaltiger Erfolg.“
Fazit: Der digitale Autokauf braucht klare Regeln
Skodas Click-to-Drive ist mehr als nur ein Pilotprojekt. Es ist ein Ausblick auf die Zukunft des Autohandels: kundenorientiert, datenbasiert, effizient. Doch um die Chancen digitaler Modelle voll zu nutzen, braucht es verbindliche rechtliche Leitplanken.
Für Hersteller und Händler gilt:
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Verträge klar strukturieren
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Informationspflichten vollständig erfülle
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Plattformfunktionen rechtlich absichern
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Kundenerwartungen transparent steuern
Wer jetzt in juristisch fundierte Digitalisierung investiert, positioniert sich langfristig stark – und vermeidet teure Fehler.