Smileys, Emojis bei der Vertragsverhandlung – Was bedeutet 😬 beim Autokauf?

Im Erstgespräch:
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Valentin Schulte

Als Mitgründer von ABOWI LAW und einem Master in Volkswirtschaft, sowie als Jurastudent, besitzt er ein tiefes Verständnis für ökonomische Zusammenhänge und rechtliche Fragestellungen. Seine vielseitige akademische Ausbildung ermöglicht es ihm, fundierte, strategische Beratungen anzubieten und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Digitale Missverständnisse: Ferrari, WhatsApp und die juristische Emoji-Falle

Heutzutage wird alles fix am Handy abgewickelt. Auch der Kauf eines Supersportwagens Ferrari SF90 Stradale, sodass sich später Gerichte mit der Auslegung von Emojis beschäftigen mussten. Im wohlhabenden Bayern stritten dann Käufer und Verkäufer nach ewigem Warten des Käufers auf das Auto, ob dieses 😬 bedeuten könnte, dass der Käufer Verlängerung der Lieferfrist zugestimmt hat. Das weiß natürlich niemand – gerade keine Richter – sodass dann der Zufall regiert. 

Die moderne Welt ist schnell, digital und vor allem bequem. Doch was passiert, wenn diese Bequemlichkeit auf jahrhundertealte juristische Prinzipien trifft? Willkommen im Fall des Oberlandesgerichts München vom 11. November 2024 (Az. 19 U 200/24 e), wo die komplexe Welt eines Ferrari-Kaufs über WhatsApp verhandelt wurde – inklusive einer Nebenrolle für Emojis.

Die moderne Herausforderung

In einer Zeit, in der Supersportwagen per Messenger bestellt und Vertragsänderungen in Kurznachrichten verhandelt werden, entstehen neue Probleme. Besonders drei Aspekte stechen hervor:

Autokäufe über weite Distanzen: Anstatt den Ferrari vor Ort beim Händler zu begutachten und persönlich im Büro Verträge zu unterschreiben, verlagern sich die Absprachen in den digitalen Raum – oft über hunderte Kilometer hinweg. Was dabei entsteht, ist eine fragile Kommunikationslandschaft, in der Missverständnisse, Unsicherheiten und fehlende Details leicht Fuß fassen können.

Unstrukturierte Kommunikation: „Passt“, „Danke“ oder ein lächelndes Emoji mögen in Gesprächen höflich sein, sind jedoch keine rechtlich klaren Aussagen. Die juristische Tragweite solcher Nachrichten bleibt für viele Nutzer undurchschaubar.

Die Mehrdeutigkeit von Emojis: Während der eine denkt, ein „Daumen hoch“ bedeutet „alles klar, Vertrag abgeschlossen“, versteht der andere darunter nur höfliche Zustimmung zu einem Gespräch. Emojis sind vielfältig, aber juristisch eine tickende Zeitbombe.

Der Fall: Wenn ein Ferrari im Messenger hängen bleibt

Im Mittelpunkt des Falls stand ein Ferrari SF90 Stradale, ein Hybrid-Supersportwagen mit einer Preisliste, die bei rund 600.000 Euro beginnt. Der Käufer, ein Immobilienunternehmer, hatte das Fahrzeug im Jahr 2020 verbindlich bestellt und eine Anzahlung von 59.500 Euro geleistet. Der Liefertermin? Locker definiert als „2./3. Quartal 2021 (unverbindlich)“. Doch dann kam alles anders:

Die Verzögerungen

Aufgrund von Produktionsproblemen – unter anderem durch die Chipkrise und fehlerhafte Hochvolt-Batterien – verschob sich die Lieferung mehrfach. Der Verkäufer kommunizierte diese Verzögerungen per WhatsApp und hoffte auf Verständnis.

Die Kommunikation:

Die beiden Parteien tauschten sich über Monate hinweg per Messenger aus. Nachrichten wie „Passt“ und „Kümmer mich drum“ wurden hin- und hergeschickt. Emojis wie 😬, 😄 und 👍 ergänzten die Chats. Nachdem der Verkäufer beichten musste, dass der Liefertermin sich verschiebt, antwortete der Käufer mit “ups 😬”. Der Verkäufer war überzeugt, der Käufer habe durch diese Nachrichten einer Fristverlängerung zugestimmt.

Der Rücktritt:

Nachdem der Wagen auch im Frühjahr 2022 nicht geliefert wurde, zog der Käufer die Reißleine: Er erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Rückzahlung seiner Anzahlung. Der Verkäufer wehrte sich mit einer Gegenklage und wollte Schadensersatz für Verluste aus dem Weiterverkauf des Ferraris.

Das Gericht musste klären: Kann man durch WhatsApp-Nachrichten und Emojis bindende Vertragsänderungen vereinbaren? Und: Hatte der Käufer tatsächlich einen Anspruch, die Anzahlung zurückzufordern?

Die juristischen Dimensionen des Falls

Der Fall mag auf den ersten Blick kurios wirken, doch er behandelt tiefgreifende juristische Fragen, die weit über diesen Ferrari hinausgehen. Es geht um die Grenzen digitaler Kommunikation im Vertragsrecht und die juristische Bewertung von Missverständnissen.

Die zentrale Frage: Was ist eine Willenserklärung?

Im Vertragsrecht gelten klare Regeln: Eine Willenserklärung muss den Willen des Erklärenden widerspiegeln, eine rechtliche Bindung einzugehen. Das OLG München stellte dabei folgende Grundsätze heraus:

Explizite und konkludente Erklärungen:

Willenserklärungen können durch Worte, aber auch durch Verhalten („konkludent“) erfolgen. Doch: Das Verhalten muss eindeutig und klar erkennbar sein. Vage Aussagen oder Symbole genügen nicht.

Abgrenzung zu informellen Äußerungen:

Im Alltag sind viele Aussagen nicht rechtlich bindend gemeint – ein „Passt“ kann Zustimmung signalisieren, aber auch bloß Höflichkeit. Entscheidend ist, wie ein verständiger Empfänger die Nachricht verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB).

Emojis und ihre juristische Bedeutung:

Emojis können Teil einer Willenserklärung sein, aber nur, wenn sie eindeutig auf eine rechtliche Bindung hinweisen. Das „Daumen-hoch“-Emoji (👍) beispielsweise drückt oft Zustimmung aus, ist aber nicht immer gleichbedeutend mit „Ich stimme einer Vertragsänderung zu“. Emojis bleiben interpretationsabhängig.

Schriftform in der digitalen Welt

Der Kaufvertrag enthielt eine Klausel, dass Änderungen „schriftlich“ erfolgen müssen. Das Gericht prüfte, ob WhatsApp-Nachrichten diesen Anforderungen genügen:

Gewillkürte Schriftform (§ 127 BGB):

Bei der sogenannten „gewillkürten Schriftform“ können Parteien auch elektronische Kommunikationsmittel zulassen – wenn die Nachrichten dauerhaft gespeichert und eindeutig formuliert sind.

WhatsApp als Beweismittel:

Das Gericht erkannte an, dass WhatsApp-Nachrichten grundsätzlich als Beweismittel geeignet sind. Entscheidend ist jedoch, ob die Nachrichten eindeutig auf eine Vertragsänderung hinweisen und sicher archiviert werden können. Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben.

Die Mehrdeutigkeit von Emojis

Ein zentraler Punkt des Falls war die juristische Bewertung von Emojis. Die Kernfrage: Können bildhafte Symbole rechtliche Wirkung entfalten? Das Gericht stellte fest:

  • Emojis wie 😬 („Grimassen-schneidendes Gesicht“) drücken Emotionen aus, aber selten eine klare Zustimmung.
  • 👍 („Daumen hoch“) signalisiert Zustimmung, aber nur im Kontext einer eindeutigen Nachricht.
  • 😄 („Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“) steht für Freude oder Belustigung – und hat juristisch keinen verbindlichen Charakter.

Das Gericht machte deutlich, dass die Bedeutung von Emojis immer im Kontext der gesamten Kommunikation interpretiert werden muss.

Treu und Glauben im digitalen Zeitalter

Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) spielte ebenfalls eine Rolle. Der Verkäufer argumentierte, der Käufer habe durch die Chats und Emojis signalisiert, dass er die Lieferverzögerungen akzeptiert. Doch das Gericht entschied: Ein berechtigtes Vertrauen auf die Zustimmung des Käufers lag nicht vor.

  • Der Käufer hatte mehrfach klargestellt, dass er auf die Lieferung des Ferraris drängt.
  • Die Emojis signalisierten keine eindeutige Zustimmung zur Verlängerung der Lieferfrist.

Gerichtsentscheidung: WhatsApp ist keine Vertragswerkstatt

Das OLG München urteilte zugunsten des Käufers: Er konnte die Anzahlung von 59.500 Euro zurückfordern, da der Rücktritt wirksam war. Die WhatsApp-Kommunikation genügte nicht, um eine Vertragsänderung oder eine Fristverlängerung zu begründen. Die Begründung des Gerichts war klar und wegweisend:

Keine klare Vertragsänderung:

Weder die Texte noch die Emojis konnten als Zustimmung zu einer Fristverlängerung interpretiert werden.

Fehlender Rechtsbindungswille:

Der Käufer hatte in keiner Weise einen rechtlichen Bindungswillen signalisiert, der über Höflichkeitsfloskeln hinausging.

Unklare Kommunikation ist gefährlich:

Das Gericht warnte davor, wichtige Vertragsinhalte in unstrukturierte Chats auszulagern.

Lehren aus dem Fall

Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für den Geschäftsverkehr in der digitalen Welt. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:

Klare Kommunikation ist entscheidend:

Empfangsbedürftige Willenserklärungen werden gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgelegt. Es kommt daher darauf an, wie ein objektiver Dritter eine bestimmte Erklärung verstehen konnte. Vertragsänderungen sollten immer schriftlich und klar formuliert werden. Messenger-Dienste wie WhatsApp eignen sich nur bedingt für rechtlich bindende Absprachen.

Verträge brauchen Struktur:

Wenn Formvorschriften bestehen, sollten Änderungen per E-Mail, PDF-Dokument oder klassischem Brief erfolgen. WhatsApp mag praktisch sein, ist aber nicht immer rechtssicher.

Emojis sind keine Vertragsgrundlage:

Obwohl Emojis die Kommunikation bereichern, sind sie juristisch schwer greifbar. Ihre Bedeutung ist zu abhängig vom Kontext, der Kultur und der individuellen Interpretation.

Sicherung der Beweise:

Nachrichten in digitalen Medien können gelöscht oder manipuliert werden. Unternehmen sollten darauf achten, Chatverläufe regelmäßig zu sichern, um im Streitfall Beweise vorzulegen.

Fazit: Emojis sind keine Juristensprache

Der Fall vor dem OLG München zeigt die Gefahren moderner Kommunikation. Was als praktisches Mittel zur Verständigung gedacht ist, kann schnell in juristischem Chaos enden. WhatsApp und Emojis sind großartig für Smalltalk – aber für rechtlich bindende Absprachen taugen sie wenig. Wer Verträge per Messenger verhandeln will, riskiert, dass ein 😬 am Ende mehr kostet als ein Ferrari – OLG München Endurteil v. 11.11.2024 – 19 U 200/24 

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