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Smileys, Emojis bei der Vertragsverhandlung – Was bedeutet 😬 beim Autokauf?

ABOWI Law
Emoji-Falle im Autokauf - ABOWI Law
Dr. Thomas Schulte – Rechtsanwalt
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Digitale MissverstÀndnisse: Ferrari, WhatsApp und die juristische Emoji-Falle

Heutzutage wird alles fix am Handy abgewickelt. Auch der Kauf eines Supersportwagens Ferrari SF90 Stradale, sodass sich spĂ€ter Gerichte mit der Auslegung von Emojis beschĂ€ftigen mussten. Im wohlhabenden Bayern stritten dann KĂ€ufer und VerkĂ€ufer nach ewigem Warten des KĂ€ufers auf das Auto, ob dieses 😬 bedeuten könnte, dass der KĂ€ufer VerlĂ€ngerung der Lieferfrist zugestimmt hat. Das weiß natĂŒrlich niemand – gerade keine Richter – sodass dann der Zufall regiert. 

Die moderne Welt ist schnell, digital und vor allem bequem. Doch was passiert, wenn diese Bequemlichkeit auf jahrhundertealte juristische Prinzipien trifft? Willkommen im Fall des Oberlandesgerichts MĂŒnchen vom 11. November 2024 (Az. 19 U 200/24 e), wo die komplexe Welt eines Ferrari-Kaufs ĂŒber WhatsApp verhandelt wurde – inklusive einer Nebenrolle fĂŒr Emojis.

Die moderne Herausforderung

In einer Zeit, in der Supersportwagen per Messenger bestellt und VertragsÀnderungen in Kurznachrichten verhandelt werden, entstehen neue Probleme. Besonders drei Aspekte stechen hervor:

AutokĂ€ufe ĂŒber weite Distanzen: Anstatt den Ferrari vor Ort beim HĂ€ndler zu begutachten und persönlich im BĂŒro VertrĂ€ge zu unterschreiben, verlagern sich die Absprachen in den digitalen Raum – oft ĂŒber hunderte Kilometer hinweg. Was dabei entsteht, ist eine fragile Kommunikationslandschaft, in der MissverstĂ€ndnisse, Unsicherheiten und fehlende Details leicht Fuß fassen können.

Unstrukturierte Kommunikation: „Passt“, „Danke“ oder ein lĂ€chelndes Emoji mögen in GesprĂ€chen höflich sein, sind jedoch keine rechtlich klaren Aussagen. Die juristische Tragweite solcher Nachrichten bleibt fĂŒr viele Nutzer undurchschaubar.

Die Mehrdeutigkeit von Emojis: WĂ€hrend der eine denkt, ein „Daumen hoch“ bedeutet „alles klar, Vertrag abgeschlossen“, versteht der andere darunter nur höfliche Zustimmung zu einem GesprĂ€ch. Emojis sind vielfĂ€ltig, aber juristisch eine tickende Zeitbombe.

Der Fall: Wenn ein Ferrari im Messenger hÀngen bleibt

Im Mittelpunkt des Falls stand ein Ferrari SF90 Stradale, ein Hybrid-Supersportwagen mit einer Preisliste, die bei rund 600.000 Euro beginnt. Der KĂ€ufer, ein Immobilienunternehmer, hatte das Fahrzeug im Jahr 2020 verbindlich bestellt und eine Anzahlung von 59.500 Euro geleistet. Der Liefertermin? Locker definiert als „2./3. Quartal 2021 (unverbindlich)“. Doch dann kam alles anders:

Die Verzögerungen

Aufgrund von Produktionsproblemen – unter anderem durch die Chipkrise und fehlerhafte Hochvolt-Batterien – verschob sich die Lieferung mehrfach. Der VerkĂ€ufer kommunizierte diese Verzögerungen per WhatsApp und hoffte auf VerstĂ€ndnis.

Die Kommunikation:

Die beiden Parteien tauschten sich ĂŒber Monate hinweg per Messenger aus. Nachrichten wie „Passt“ und „KĂŒmmer mich drum“ wurden hin- und hergeschickt. Emojis wie 😬, 😄 und 👍 ergĂ€nzten die Chats. Nachdem der VerkĂ€ufer beichten musste, dass der Liefertermin sich verschiebt, antwortete der KĂ€ufer mit “ups 😬”. Der VerkĂ€ufer war ĂŒberzeugt, der KĂ€ufer habe durch diese Nachrichten einer FristverlĂ€ngerung zugestimmt.

Der RĂŒcktritt:

Nachdem der Wagen auch im FrĂŒhjahr 2022 nicht geliefert wurde, zog der KĂ€ufer die Reißleine: Er erklĂ€rte den RĂŒcktritt vom Kaufvertrag und verlangte die RĂŒckzahlung seiner Anzahlung. Der VerkĂ€ufer wehrte sich mit einer Gegenklage und wollte Schadensersatz fĂŒr Verluste aus dem Weiterverkauf des Ferraris.

Das Gericht musste klĂ€ren: Kann man durch WhatsApp-Nachrichten und Emojis bindende VertragsĂ€nderungen vereinbaren? Und: Hatte der KĂ€ufer tatsĂ€chlich einen Anspruch, die Anzahlung zurĂŒckzufordern?

Die juristischen Dimensionen des Falls

Der Fall mag auf den ersten Blick kurios wirken, doch er behandelt tiefgreifende juristische Fragen, die weit ĂŒber diesen Ferrari hinausgehen. Es geht um die Grenzen digitaler Kommunikation im Vertragsrecht und die juristische Bewertung von MissverstĂ€ndnissen.

Die zentrale Frage: Was ist eine WillenserklÀrung?

Im Vertragsrecht gelten klare Regeln: Eine WillenserklĂ€rung muss den Willen des ErklĂ€renden widerspiegeln, eine rechtliche Bindung einzugehen. Das OLG MĂŒnchen stellte dabei folgende GrundsĂ€tze heraus:

Explizite und konkludente ErklÀrungen:

WillenserklĂ€rungen können durch Worte, aber auch durch Verhalten („konkludent“) erfolgen. Doch: Das Verhalten muss eindeutig und klar erkennbar sein. Vage Aussagen oder Symbole genĂŒgen nicht.

Abgrenzung zu informellen Äußerungen:

Im Alltag sind viele Aussagen nicht rechtlich bindend gemeint – ein „Passt“ kann Zustimmung signalisieren, aber auch bloß Höflichkeit. Entscheidend ist, wie ein verstĂ€ndiger EmpfĂ€nger die Nachricht verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB).

Emojis und ihre juristische Bedeutung:

Emojis können Teil einer WillenserklĂ€rung sein, aber nur, wenn sie eindeutig auf eine rechtliche Bindung hinweisen. Das „Daumen-hoch“-Emoji (👍) beispielsweise drĂŒckt oft Zustimmung aus, ist aber nicht immer gleichbedeutend mit „Ich stimme einer VertragsĂ€nderung zu“. Emojis bleiben interpretationsabhĂ€ngig.

Schriftform in der digitalen Welt

Der Kaufvertrag enthielt eine Klausel, dass Änderungen „schriftlich“ erfolgen mĂŒssen. Das Gericht prĂŒfte, ob WhatsApp-Nachrichten diesen Anforderungen genĂŒgen:

GewillkĂŒrte Schriftform (§ 127 BGB):

Bei der sogenannten „gewillkĂŒrten Schriftform“ können Parteien auch elektronische Kommunikationsmittel zulassen – wenn die Nachrichten dauerhaft gespeichert und eindeutig formuliert sind.

WhatsApp als Beweismittel:

Das Gericht erkannte an, dass WhatsApp-Nachrichten grundsÀtzlich als Beweismittel geeignet sind. Entscheidend ist jedoch, ob die Nachrichten eindeutig auf eine VertragsÀnderung hinweisen und sicher archiviert werden können. Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben.

Die Mehrdeutigkeit von Emojis

Ein zentraler Punkt des Falls war die juristische Bewertung von Emojis. Die Kernfrage: Können bildhafte Symbole rechtliche Wirkung entfalten? Das Gericht stellte fest:

  • Emojis wie 😬 („Grimassen-schneidendes Gesicht“) drĂŒcken Emotionen aus, aber selten eine klare Zustimmung.
  • 👍 („Daumen hoch“) signalisiert Zustimmung, aber nur im Kontext einer eindeutigen Nachricht.
  • 😄 („Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“) steht fĂŒr Freude oder Belustigung – und hat juristisch keinen verbindlichen Charakter.

Das Gericht machte deutlich, dass die Bedeutung von Emojis immer im Kontext der gesamten Kommunikation interpretiert werden muss.

Treu und Glauben im digitalen Zeitalter

Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) spielte ebenfalls eine Rolle. Der VerkÀufer argumentierte, der KÀufer habe durch die Chats und Emojis signalisiert, dass er die Lieferverzögerungen akzeptiert. Doch das Gericht entschied: Ein berechtigtes Vertrauen auf die Zustimmung des KÀufers lag nicht vor.

  • Der KĂ€ufer hatte mehrfach klargestellt, dass er auf die Lieferung des Ferraris drĂ€ngt.
  • Die Emojis signalisierten keine eindeutige Zustimmung zur VerlĂ€ngerung der Lieferfrist.

Gerichtsentscheidung: WhatsApp ist keine Vertragswerkstatt

Das OLG MĂŒnchen urteilte zugunsten des KĂ€ufers: Er konnte die Anzahlung von 59.500 Euro zurĂŒckfordern, da der RĂŒcktritt wirksam war. Die WhatsApp-Kommunikation genĂŒgte nicht, um eine VertragsĂ€nderung oder eine FristverlĂ€ngerung zu begrĂŒnden. Die BegrĂŒndung des Gerichts war klar und wegweisend:

Keine klare VertragsÀnderung:

Weder die Texte noch die Emojis konnten als Zustimmung zu einer FristverlÀngerung interpretiert werden.

Fehlender Rechtsbindungswille:

Der KĂ€ufer hatte in keiner Weise einen rechtlichen Bindungswillen signalisiert, der ĂŒber Höflichkeitsfloskeln hinausging.

Unklare Kommunikation ist gefÀhrlich:

Das Gericht warnte davor, wichtige Vertragsinhalte in unstrukturierte Chats auszulagern.

Lehren aus dem Fall

Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen fĂŒr den GeschĂ€ftsverkehr in der digitalen Welt. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:

Klare Kommunikation ist entscheidend:

EmpfangsbedĂŒrftige WillenserklĂ€rungen werden gemĂ€ĂŸ §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven EmpfĂ€ngerhorizont ausgelegt. Es kommt daher darauf an, wie ein objektiver Dritter eine bestimmte ErklĂ€rung verstehen konnte. VertragsĂ€nderungen sollten immer schriftlich und klar formuliert werden. Messenger-Dienste wie WhatsApp eignen sich nur bedingt fĂŒr rechtlich bindende Absprachen.

VertrÀge brauchen Struktur:

Wenn Formvorschriften bestehen, sollten Änderungen per E-Mail, PDF-Dokument oder klassischem Brief erfolgen. WhatsApp mag praktisch sein, ist aber nicht immer rechtssicher.

Emojis sind keine Vertragsgrundlage:

Obwohl Emojis die Kommunikation bereichern, sind sie juristisch schwer greifbar. Ihre Bedeutung ist zu abhÀngig vom Kontext, der Kultur und der individuellen Interpretation.

Sicherung der Beweise:

Nachrichten in digitalen Medien können gelöscht oder manipuliert werden. Unternehmen sollten darauf achten, ChatverlĂ€ufe regelmĂ€ĂŸig zu sichern, um im Streitfall Beweise vorzulegen.

Fazit: Emojis sind keine Juristensprache

Der Fall vor dem OLG MĂŒnchen zeigt die Gefahren moderner Kommunikation. Was als praktisches Mittel zur VerstĂ€ndigung gedacht ist, kann schnell in juristischem Chaos enden. WhatsApp und Emojis sind großartig fĂŒr Smalltalk – aber fĂŒr rechtlich bindende Absprachen taugen sie wenig. Wer VertrĂ€ge per Messenger verhandeln will, riskiert, dass ein 😬 am Ende mehr kostet als ein Ferrari – OLG MĂŒnchen Endurteil v. 11.11.2024 – 19 U 200/24 

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Valentin Schulte

Als MitgrĂŒnder von ABOWI LAW und einem Master in Volkswirtschaft, sowie als Jurastudent, besitzt er ein tiefes VerstĂ€ndnis fĂŒr ökonomische ZusammenhĂ€nge und rechtliche Fragestellungen. Seine vielseitige akademische Ausbildung ermöglicht es ihm, fundierte, strategische Beratungen anzubieten und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

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